(«Fateful Mornings», W. W.
Norton & Company, New York 2017).
Aus dem Englischen von Caroline Burger
und Anna-Christin Kramer.
Ars Vivendi, Cadolzburg 2018. 320 S.
Der erste Satz
Ich fuhr mit dem Pick-up quer über die Wiese zum Maiden’s Grove Lake.
Das Buch
Tiefe Wälder, Seen und
Flüsse weitab von grösseren Städten – den Nordosten Pennsylvanias können wir
uns eigentlich ganz idyllisch vorstellen. Hier ist der amerikanische Autor Tom
Bouman aufgewachsen, und hier lebt er wieder, nachdem er in New York im
Verlagswesen tätig gewesen war. «Im Morgengrauen» ist sein zweiter Krimi um
Henry Farrell aus dieser Gegend. Die Landschaft spielt in Boumans Romanen eine
ebenso grosse Rolle wie die Bayous Louisianas in James Lee Burkes stilbildender
Romanserie um den Polizisten Dave Robicheaux.
Boumans Polizist heisst
Henry Farrell, und der schaut ganz allein im ebenso abgelegenen wie weitläufigen
Kaff Wild Thyme, unweit der Grenze zum nordöstlichen Teil des Bundesstaates New
York, zum Rechten. Auf seinen Patrouillenfahrten durch die einsamen Gegenden
findet er auch Zeit, sein Verhältnis mit einer verheirateten Frau zu pflegen,
in seiner Freizeit hilft er einem Freund beim Bau von Holzrahmenhäusern mit
alten Materialien und spielt Fiddle in einem Bluegrass-Trio. Auch für
ornithologische Betrachtungen ist der Dorfpolizist zu haben
So weit wirkt alles
ziemlich beschaulich. Aber wir sind hier in einem Krimi, der dem Subgenre
«Rural Noir» zugeordnet ist. Und so wundert es nicht, dass der idyllische
Schein trügt. Fracking von Erdgasunternehmen teilt die Bevölkerung in
Profiteure und Umweltschützer. Henry stellt sich mit seinem Radar, mit dem er
rasende Tanklaster stoppt, dagegen. Aber vor allem haben sich Drogen und die
ganze Kriminalität, die damit zusammenhängt, hier ausgebreitet.
Um das Verschwinden
einer jungen Drogensüchtigen, die mit ihrem Alki-Freund in einem Wohnwagen lebt
und der das Kind entzogen wurde, dreht sich die düstere Geschichte, in deren
Verlauf mehrere Leichen auftauchen. Henry Farrell ermittelt zuweilen auf
ziemlich unkonventionelle Art auch weit ausserhalb seines
Zuständigkeitsbereichs, sogar jenseits der Bundesstaatsgrenze, und kommt dabei
schon mal Kleinstadtkollegen ins Gehege. Doch eigentlich ist der Dorfpolizist
mehr ein stiller und nachdenklicher Beobachter als ein furioser Aktivist. Und
es sind denn auch mehr die wBeobachtungen und Erkenntnisse des selbst gerne mal
Dope rauchenden Gesetzeshüters, die den besonderen Reiz des Buches ausmachen,
als der eigentliche Krimi-Plot. Kein Stoff für Leser, die Krimis als Ratespiel
mögen. Bouman wirft einen ungeschönten Blick auf ein ländliches Amerika, in dem
der amerikanische Traum für viele zu einem Alptraum wird. Und wie sagt doch der
Trinker so schön zu Henry: «Du weisst genau, dass die einzige Geschichte, die
wichtig ist, aus uns selbst kommt.»
Der Autor
Tom Bouman, geboren
1979, ist im Nordosten des US-Bundesstaats Pennsylvania aufgewachsen. Er war in
New York als Verlagslektor tätig. Als Musiker war er zudem Frontmann der Country-/Americana-Band
The Flanks, die zwischen 2006 und 2012 drei Alben veröffentlichte; Bouman sang
und spielte Gitarre, Mandoline, Banjo sowie Dampforgel. Vor rund fünf Jahren
zog er mit seiner Familie – Frau und zwei Kinder – zurück ins nordöstliche
Pennsylvania. Dort spielen auch seine Krimis, die dem Subgenre «Rural Noir»
zugerechnet werden. Sein erster Roman «Dry Bones in the Valley» (2014; Deutsch:
«Auf der Jagd», 2016) wurde mit renommierten Edgar Allan Poe Award für das
beste Debüt ausgezeichnet. «Fateful Mornings» («Im Morgengrauen») ist sein
zweites Buch.
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