29.01.2015

Tony Parsons – Dein finsteres Herz

(«The Murder Bag», Century Publishing, 2014)

Aus dem Englischen von Dietmar Schmidt

2014, Lübbe Paperback/Bastei Lübbe, Köln, 383 Seiten


***

Der erste Satz
Als sie mit ihr fertig waren, liessen sie sie auf der Matratze liegen, mit dem Gesicht nach unten, und es war, als wäre sie schon tot.

Das Buch
«Detective Max Wolfes erster Fall», steht auf dem Buchcover, der Held des ersten Krimis des ehemaligen Popmusik-Journalisten und erfolgreichen britischen Romanautors Tony Parsons ist also als Serienheld angelegt. Eine interessante Figur, von der man gerne mehr liest: alleinerziehender Vater einer kleinen Tochter, eigensinnig, legt sich schon mal mit den Chefs an, wenn es sein Sinn nach Gerechtigkeit verlangt.
Ein Banker und ein Penner werden brutal ermordet. Offenbar der gleiche Täter. Der Zusammenhang muss in ihrer Vergangenheit liegen: Sie gehörten an einer Eliteschule dem gleichen Klüngel von Jungs an. Offenbar ist da etwas vorgefallen, was jemand jetzt rächen will.
Das ist gut und stimmig erzählt, auch mit etwas Witz gewürzt. Über Chief Superintendent Elizabeth Swire etwa heisst es:
Sie war eine Frau von fünfzig mit einer grimmigen blonden Frisur, die ihr der Friseur so lange eingesprayt hatte, bis sie zu einem Spartanerhelm erstarrt war. Swire sah aus wie Mrs Thatchers frisch exhumierter Leichnam, nur strahlte sie nicht ganz so viel menschliche Wärme aus.
Trotz ein paar durchaus überraschenden Wendungen ist der Plot rasch durchschaubar, und darüber hinaus gelingt es Parsons über weite Stecken leider nicht ganz, die Geschichte fesselnd zu halten.

Der Autor
Tony Parsons, *1953 in Romford, Essex, war seit den 1970er-Jahren einer der bekanntesten englischen Musikjournalisten; er schrieb zunächst für den «New Musical Express» über Punk und war für kurze Zeit mit der bekannten Autorin Julie Burchill verheiratet. Als Buchautor veröffentliche er zuerst die autorisierte Biografie von Popstar George Michael. 1999 wurde sein Roman «Man and Boy» zu einem Bestseller, der in 39 Sprachen übersetzt wurde (Deutsch: «Männlich, alleinerziehend, sucht …» bei Piper). Parsons lebt mit seiner japanischen Frau Yuriko und einer Tochter in London. Er unterstützt die EU-kritische UKIP.

Der letzte Satz
Sie griff herüber und drückte meine Hand, während ich dort in der Dunkelheit mit den anderen Eltern sass, heftiges Lachen hinunterschluckte und heisse Tränen meine Wangen hinunterliefen.




16.01.2015

Dave Zeltserman – Killer

(«Killer», Serpent’s Tail, London, 2010)

Aus dem Amerikanischen von Ango Laina und Angelika Müller

2015, Pulp Master, Berlin, 262 Seiten


****1/2


Der erste Satz
«Und wenn ich denen Salvatore Lombard liefere?»

Das Buch
Leonard March hat einen Deal gemacht mit dem Bezirksanwalt. Er lieferte ihm den Mafia-Boss Salvatore Lombard. Dafür musste er «nur» 14 Jahre hinter Gitter und konnte für die Verbrechen, die weiter gestand, nicht mehr belangt werden. March gestand, für Lombard als Auftragskiller 28 Menschen getötet zu haben. Kurz vor Marchs Entlassung nach 14 Jahren Knast lässt jemand den Deal an die Presse durchsickern.
Dave Zeltserman lässt den Killer als Ich-Erzähler schildern, wie er es erlebt, draussen zu sein. Er wohnt in einer engen, versifften Souterrain-Wohnung, arbeitet nachts als Putzmann in einem Bürogebäude, seine erwachsenen Kinder wollen nichts mit ihm zu tun haben, er wird im Café angepöbelt, und er wartet darauf, dass Lombards Männer ihn zu schnappen versuchen. Parallel dazu erfahren wir in Rückblenden Bruchstücke aus Marchs Leben vor dem Gefängnis.
Dass Zeltserman es versteht, ebenso starke wie stimmige Plots zu entwickeln und zudem ein brillanter Erzähler ist, wissen wir spätestens seit dem Meisterwerk «Paria» (2013 auf Deutsch bei Pulp Master; *****!). «Killer» ist fast so stark und allemal ein ganz grosser Roman, düster, aber auch mit trockenem Humor. Die raffiniert aufgebaute Geschichte ist ohne Mätzchen und Firlefanz knallhart erzählt und gipfelt in einem überraschenden Finale. Einfach klasse!

Der Autor
Dave Zeltserman, *1959 in Boston, war Software-Entwickler, bevor er zu schreiben begann. Inzwischen hat er sich mit mehr als ein Dutzend Romane einen Namen als grosser Noir-Autor gemacht. Auf Deutsch erschienen bisher «29 Minuten» (Original: «Outsourced», 2010; Deutsch 2011 bei Suhrkamp) und «Paria» (Original: «Pariah», 2009; Deutsch 2013 bei Pulp Master) – beide Titel sind ebenfalls wärmstens empfohlen.

Der letzte Satz
Die Tür geht auf.



11.01.2015

Neun neue Krimis in Kürze

Viel Lob gab es in den deutschen Feuilletons – und auf der Krimi-Bestenliste der «Zeit» – für «Trost» von Andrew Brown (Original: «Solace», Zebra Press/Random House Struik, Capetown, 2009; Deutsch: aus dem südafrikanischen Englsich von Mechthild Barth, 2014, btb Verlag/Random House, München, 351 Seiten; ***). Der Krimi um Inspector Eberard Februarie, der zwischen die Fronten eines vermeintlichen Glaubenskriegs zwischen Juden und Muslimen gerät, spielt mit brennenden Zeitproblemen. Was nervt, sind langatmige Erklärungen zu den Religionen. Und was Andrew seinen Figuren zum Teil in den Mund legt, liest sich wie ein Traktat über Toleranz zwischen den Religionen. Nichts gegen die Message an sich, aber bitte etwas weniger plump!

Noch plumper hantiert der Schwede Carl-Johan Vallgren in «Schattenjunge» (Original: «Sliggpojken», unter dem Autorennamen Lucifer, 2013, Albert Bonniers Förlag, Stockholm; Deutsch: aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt, 2014, Heyne Hardcore/Wilhelm Heyne Verlag, München, 400 Seiten; *) mit simplen Klischees. Ganz in der Tradition von Stieg Larsson setzt sich da ein Randständiger gegen eine superreiche, verkommene Unternehmerfamilie durch.

Nichts gegen sozialkritische Kriminalliteratur. Wie es ohne wohlfeiles Moralisieren gehen kann, zeigt der irische Autor Gene Kerrigan mit «Die Wut» (Original: «The Rage», Harvill Secker, London, 2011; Deutsch: aus dem Englischen von Antje Maria Greisiger, 2014, Polar Verlag, Hamburg, 292 Seiten; ****). Der angenehm unaufgeregt, auf billige Effekte verzichtend erzählte Krimi spielt im Dublin während der Bankenkrise. Held ist Detective Bob Tidey, ein Mann, der tun will, was richtig ist. Was einer Karriere nicht unbedingt gut bekommt.

Fast ebenso nervig wie plumpes Moralisieren ist überbordender Sauglattismus. Eigentlich ist man ja gewarnt, wenn auf der Buchrückseite «Die Quintessenz aus Proust und Porno» angedroht wird. «Mistery Girl» von David Gordon (Original: «Mystery Girl», Thomas & Mercer/Amazon Publishing, 2013; Deutsch: aus dem Englischen von Stefanie Jacobs, 2014, Suhrkamp Verlag Berlin, 412 Seiten; **) beginnt zwar ganz munter als etwas überdrehte Verwechslungsgeschichte, gespickt mit vielen Bezügen zur Populärkultur. Doch je länger der Roman sich hinzieht, um so abstruser wird der Plot. Und um so mehr langweilen die Ausschweifungen, mit denen der Autor zeigen will, was er alles weiss, und vor allem die langatmigen inneren Monologe, die sich schon mal über mehr als 20 Seiten ohne einen Absatz hinziehen.

Vergnüglicher liest sich «Töte deinen Chef» von Shane Kuhn (Original: «The Intern’s Handbook», Simon & Schuster, New York, 2014; Deutsch: aus dem Englischen von Conny Lösch, 2014, DuMont Buchverlag, Köln, 320 Seiten; ***). Die als «Leitfaden für Praktikanten» angelegte Geschichte – Praktikanten sollen sich am besten als Auftragskiller eignen, weil sie sozusagen unsichtbar sind – im Anwaltsmilieu bietet aber auch nicht mehr als ein bisschen nette Unterhaltung.

Einen raffinierten und ziemliche unheimlichen Plot strickt der bekannte Drehbuchautor Stephen Carpenter («Ocean’s Eleven») in seinem ersten Roman «Killer» (Original: «Killer», Amazon Kindle, 2010; Deutsch: aus dem Englischen von Birgit Schöbitz, 2014, AmazonCrossing, Luxemburg, 332 Seiten; ***1/2): Jack Rhodes, der sich nach dem Suizid seiner Verlobten fast zu Tode gesoffen hat, feiert als Schriftsteller Erfolge, er arbeitet bereits am vierten Band seiner «Killer»-Serie. Doch dann scheint ein echter Killer die Morde nach dem Vorbild des ersten Buches ausgeführt zu haben. Das Problem dabei ist allerdings, dass die Morde schon vor dem Erscheinen des Buches stattfanden – und Rhodes darum zum Hauptverdächtigen aufsteigt. Spannend und gut erzählt.

Wie man Spannung erzeugt, weiss auch Gregg Hurwitz. «Flieh um dein Leben» (Original: «You’re Next», St. Martin’s Press, New York, 2011; Deutsch: aus dem Englischen von Wibke Kuhn, 2014, Knaur Taschenbuch/Droemer-Knaur, München, 539 Seiten; ***1/2) ist bereits sein achter Roman auf Deutsch. Ein kleiner Bauunternehmer in Kalifornien, der eben eine «grüne» Siedlung hochgezogen hat, wird zusammen mit seiner Familie aus heiterem Himmel bedroht und verfolgt. Offenbar haben es Auftragskiller auf ihn abgesehen, und es scheint irgendwie um die mysteriöse Herkunft des Mannes zu gehen. Der Plot erweist sich gegen Ende als ziemlich abenteuerlich, und er ist letztlich auch nicht viel mehr als ein Vehikel zur Erzeugung von Spannung.


Nathan Larson war bisher als Musiker und Filmkomponist bekannt. Sein erster Roman ist auf Deutsch unter dem an 9/11 erinnernden, aber meiner Meinung nach nicht so gut funktionierenden Titel «2/14» erschienen (Original: «The Dewey Decimal System», Akashic Books, Brooklyn, 2011; Deutsch: aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Stumpf, 2014, Diaphanes, Zürich-Berlin, 255 Seiten; ****). Die Geschichte spielt nach den Ereignissen vom Valentinstag, eben 2/14, durch die weite Teile New Yorks zerstört wurden. Die Stadt ist weitgehend entvölkert. Ein ehemaliger Soldat, der unter dem Namen Dewey Decimal in der New York Public Library haust und dort die Bücher neu sortiert, wird von einem Überbleibsel der Stadtverwaltung als Ermittler und Killer in der apokalyptischen Stadtlandschaft eingesetzt. Eine eigenwillige, originelle Geschichte, gut erzählt. Leider hält der zweite Dewey-Decimal-Roman «Boogie Man» (Original: «The Nervous System», Akashic Books, Brooklyn, 2012; Deutsch: aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Stumpf, 2014, Diaphanes, Zürich-Berlin, 284 Seiten; ***1/2 ) nicht mehr ganz, was der erste versprochen hat. Die im ersten Band noch beklemmende Geschichte verkommt fast ein bisschen zur Krawallnummer. Dazu trägt auch die forciert schnoddrige Sprache bei – nichts gegen starken Slang, wo er Sinn macht, aber hier scheint der um Selbstzweck zu werden. Warten wir ab, was der die Trilogie abschliessende Band «The Immune System», der im Original für Mai 2015 angekündigt ist, bringen wird.