22.10.2015

Robert Crais – Unter Verdacht

(«Suspect», Putnam, New York, 2013)

Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger

2015, Wilhelm Heyne Verlag, München, 430 Seiten


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Der erste Satz
Maggie starrte Pete mit gespannter, ungeteilter Aufmerksamkeit an.

Das Buch
Robert Crais ist auf den Hund gekommen. In diesem Roman pausieren Elvis Cole und Joe Pike, sonst seine Serienhelden. Die Hauptfiguren sind Scott James, ein Cop in Los Angeles, und Maggie, ein Schäferhund.
Maggie war bei den Marines, bildete mit Pete ein Team. In Afghanistan gerieten sie in einen Hinterhalt und wurden angeschossen. Maggie überlebte, Pete nicht.
Zurück in den USA kommt Maggie, die von den Militärs ausgemustert wurde, versuchsweise zur Polizeihundestaffel in Los Angeles. Dort bereitet sich Scott James auf seine Rückkehr in den Polizeidienst vor. Bei einer Schiesserei ist seine Partnerin erschossen worden, er wurde schwer verletzt. Nachdem er wieder auf den Beinen ist, will Scott keinen Partner mehr, und so kommt er auf den Hund.
Scott und Maggie haben viel gemeinsam. Beide wurden angeschossen und überlebten. Beiden geht es nicht so gut, wie sie vorgeben, psychisch wie körperlich; beide versuchen ihr Hinken zu kaschieren. Sie verstehen sich.
Scott will die Mörder seiner Partnerin finden, doch dann ziehen ihn die Beamten für interne Ermittlungen aus dem Verkehr. Scott macht auf eigene Faust weiter.
Wer Hunde nicht mag oder mit Hunden nichts anfangen kann, wird wahrscheinlich mit diesem Roman auch nicht viel anfangen können. Crais erzählt zwischendurch sogar aus der Sicht des Hundes. Er tut dies sehr fachkundig und einfühlsam. Wie Scott und Maggie zu einem Rudel werden, ist eine sehr emotionale Geschichte. Daneben ist aber auch dieser Roman wie jedes Werk von Crais: knallhart und spannend, mit guten Dialoge und trockenem Humor.

Der Autor
Robert Crais, *1953 in Independence, Louisiana, studierte Maschinenbau. Mit 23 ging er nach Hollywood, wo er zunächst als Drehbuchautor fürs Fernsehen arbeitete (unter anderem für Serien wie «Hill Street Blues», «Quincy», «Cagney & Lacey» und «Miami Vice»). 1987 veröffentlichte er seinen ersten Roman «The Monkey’s Raincoat» (auf Deutsch 1989 als «Die gefährlichen Wege des Elvis Cole» bei Bastei-Lübbe). Die Elvis-Cole/Joe-Pike-Serie umfasst inzwischen 16 Romane, 9 davon sind bisher auf Deutsch erschienen. Crais’ Werke sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Er lebt in Santa Monica, Kalifornien.

Der letzte Satz
Sie waren ein Rudel, und beide wussten sie das.


19.10.2015

J. A. Konrath – Die Scharfschützen

(«Fuzzy Navel», Hyperion, New York, 2009)

Aus dem Amerikanischen von Peter Zmyj

2015, AmazonCrossing, Luxemburg, 333 Seiten

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Der erste Satz
Es ist still in den Vororten

Das Buch
J. A. Konrath sagt von sich selbst, er sei bekannt für «fast action, snappy dialog, laugh aloud comedy, and nail biting terror, often all on the same page». Seine Serie um Jacqueline «Jack» Daniels von der Mordkommission in Chicago will unterhalten, und das tut sie durchaus. Beim zuletzt auf Deutsch erschienen Band «Die Scharfschützen» schwindet der Lesespass aber leider rasch. Dabei wäre die Anlage ja durchaus interessant gewesen, über die der Autor in einem kurzen Vorwort erklärt:

Dieses Buch war eine meiner grössten Ideen. Es ist in Echtzeit geschrieben, das heisst, eine Minute im Text entspricht einer Minute im wirklichen Leben. Für die Lektüre benötigt man etwa acht Stunden. Die Handlung dauert ebenso lange und spielt überwiegend an einem Schauplatz, nämlich Jacks Haus.

Jack wird in ihrem Haus, zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Freund, von einer aus der forensischen Psychiatrie ausgebrochenen Psychopathin, die wir aus früheren Folgen der Reihe kennen, bedroht. Gleichzeitig bringen sich um das Haus psychopathische Scharfschützen in Stellung, die das gleiche Ziel wie die eingedrungene Frau verfolgen: Jack Daniels umzubringen, aber dabei auch noch ein bisschen Spass zu haben.
Das artet ziemlich schnell in einen puren Gewalt-Slapstick aus, der immer absurder wird. Ernst nehmen kann man das nicht, lustig ist es rasch auch nicht mehr. Und beginnt sich ergo zu langweilen. Konrath stellt sich das anders vor:
Ich hoffe, Sie haben beim Lesen dieses Buches den gleichen Mordsspass, den ich hatte, als ich es schrieb.
Leider nicht.

Der Autor
J. A. (Joseph Andrew) Konrath, *1970 in Stokie, Illinois, hat nach eigenen Angaben auf seiner Webseite 24 Romane und über 100 Kurzgeschichten verfasst. Für seine ersten neun Romane habe er in den zwölf Jahren nach seinem Abschluss am Columbia College in Chicago annähernd 500 Absagen von Verlagen erhalten. Der erste Band der Jack-Daniels-Reihe, «Whiskey Sour» («Der Lebkuchenmann»), war 2004 der erste publizierte Roman. Neben der inzwischen acht Bände umfassenden Jack-Daniels-Serie publiziert Konrath unter dem Pseudonym Jack Kilborn Horrorromane, von denen mehrere auch auf Deutsch erschienen sind. Die Gesamtauflage seiner Bücher liegt inzwischen bei mehreren Millionen; er hat via Amazon auch über eine Million eBooks verkauft.

Der letzte Satz
«Das verspreche ich dir.»



05.10.2015

Maurizio de Giovanni – Das Krokodil

(«Il Metodo del Coccodrillo», Arnoldo Mondadori Editore, Milano, 2012)

Aus dem Italienischen von Susanne Van Volxem

2014, Kindler/Rowohlt Verlag, Reinbek; 2015, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek, 335 Seiten


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Der erste Satz
Der Tod kommt um acht Uhr vierzehn auf Gleis drei an, mit sieben Minuten Verspätung.

Das Buch
Inspektor Giuseppe Lojacono sitzt an einem Schreibtisch in einer Polizeidienststelle in Neapel und spielt Poker gegen den Computer. Seit gut zehn Monaten. Er wurde von Sizilien hierher strafversetzt, nachdem ein Mafioso ihn an als Informanten genannt hatte. Die Vorgesetzten wollen in hier aussen vor lassen, es hat seine Zeit abzusitzen und damit hat es sich. Lojacono hadert mit seinem Schicksal, mit der Trennung von seiner Familie, vor allem von der Teenager-Tochter. Aber auch mit der neuen Stadt.

Eine Stadt, die so ganz anders war, als er es sich vorgestellt hatte, misstrauisch, klamm und dunkel, viel verschlossener und undurchsichtiger, als es zunächst den Anschein macht. Eine Stadt, in der jeder darauf bedacht war, nicht in Schwierigkeiten zu geraten, in der man nur mit seinem eigenen Kram beschäftigt war, stets auf dem Sprung. Eine Stadt, die einem zwischen den Fingern zerrann, die sich urplötzlich verflüssigte oder in Luft auflöste.

Eines Nachts, er wurde zum Bereitschaftsdienst eingeteilt, weil die anderen Beamten nicht wollten und es ihm egal war, ob er die Nacht lang in seinem Zimmer oder im Büro an die Decke starrte, passiert etwas, und Lojacono ist der erste Beamte am Ort eines Mordes. Er wird dann gleich wieder weggeschickt, als die anderen kommen. Doch er hat sich den Tatort gut angesehen, und er ist überzeugt, dass die Tat nicht auf das Konto der Camorra ging.  Wie stellt er doch einmal fest:

«In dieser Stadt wird die Camorra wie ein Auffangnetz betrachtet: Alles, was Schreckliches passiert, wird ihr zugeschrieben, direkt oder indirekt.»

Staatsanwältin Laura Piras, auch sie, wie meisten Figuren in diesem Buch, eine, die unter einem Verlust leidet, hat gehört, dass der seltsame, schweigsame Beamte nicht an die Camorra-Theorie der Ermittler glaubt, und als sie nicht weiterkommen, zieht sie ihn bei. Zusammen kommen sie einem unheimlichen Rächer auf die Spur. Aber noch rechtzeitig genug?
Es ist eine düstere Geschichte, die Maurizio de Giovanni gekonnt entwickelt und eindrücklich erzählt. Eindringlich und einfühlsam bringt er dem Leser die Leiden seiner Figuren nahe. Noir auf Italienisch. Zwischendurch wird die stets greifbare Melancholie fast schon poetisch:

Wenn es regnet, kann man das Morgengrauen nicht heraufziehen sehen. Plötzlich ist es da. Während man noch an etwas anderes denkt, ist es auf einmal da und schaut einen an.
Man spürt es in der Luft. Man sieht, wie die Nacht den Regen allmählich abstreift, und plötzlich ist da ein fahles Licht, transparent wie ein feuchtes Seidentuch.
Langsam senkt es sich herab, wie eine Krankheit. Es legt sich auf die rauchgrauen Bäume, benetzt die Mauern mit seinen Tränen, nimmt den Pflastersteinen ihren Glanz.
Ein solches Morgengrauen lässt einem den Atem stocken. Wer trauert und nicht schlafen kann, dem fügt es weiteren Schmerz hinzu.


Der Autor
Maurizio de Giovanni, *1958 in Neapel, studierte Literatur, arbeitete aber hauptberuflich auf einer Bank. Seit 2005 veröffentliche er zahlreiche Bücher, darunter insbesondere eine Serie um Commissario Ricciardi, die bisher zehn Bände umfasst; vier davon sind auf Deutsch bei Suhrkamp/Insel erschienen. «Das Krokodil», der erste Fall in der Serie um Inspektor Lojacono, wurde 2012 mit dem Premio Scerbanenco, dem wichtigsten italienischen Krimipreis, ausgezeichnet; das Buch erschien auch in Frankreich, England und in den USA. Inzwischen ist auch der zweite Band, «Die Gauner von Pizzofalcone», auf Deutsch erschienen; in Italien gibt es bereits vier Lojacono-Romane.

Der letzte Satz
«Hallo?»