05.08.2015

Ken Bruen – Kaliber

(«Calibre», St. Martin’s Minotaur, New York, 2006)

Aus dem Englischen von Karen Witthuhn

2015, Polar Verlag, Hamburg, 183 Seiten (mit einem Vorwort von Robert Brack: «Mit Worten zuschlagen»)


*****

Die ersten Sätze
Shit from Shinola. Heisst, der Trottel kann Scheisse nicht von Schuhwichse unterscheiden. Muss man den verdammten Amis lassen, die haben geile Sprüche drauf.

Das Buch
Schon lange nicht mehr so oft laut heraus-gelacht oder mindestens heftig gegrinst beim Lesen wie bei diesem starken Stück! Ken Bruen, der auch hier allein schon mit seinen kundigen Bezügen zu Kriminalliteratur und Musik (Americana-Melancholie von gestern bis heute) viel Freude macht, gibt Vollgas. Einen irren, aber belesenen Killer lässt er unter anderem so von der Leine:

Das ganze Zeug von Jonathan Franzen, Salman Rushide und so in euren Regalen, all die Möchtegern-Booker-Prize-Anwärter, die nur Staub ansetzen, der ganze ernsthafte Mist:
IN DIE TONNE.
Kommt schon.
Wenn ihr wissen wollt, wie die Welt tickt, holt euch Andrew Vachss.
Nicht intellektuell genug?
Holt euch James Sallis, da brennen euch die Synapsen durch. Oder, fürs wahrhaft Metaphysische, Paul Auster.
Krimis, Bro, sind der neue Rock ’n’ Roll.

«Kaliber» ist der zweitletzte (und der erste auf Deutsch aufgelegte) Roman einer sieben-teiligen Reihe mit Detective Sergeant Tom Brant und Chief Inspector James Roberts von der Londoner Polizei (erschienen 1998 bis 2007). Brant, ein durchtriebener, dreister Cop der ganz groben Art, und Roberts, ein feinfühliger Schwuler mit Stil, sind da unter anderem mit dem «Manieren-Mörder» konfrontiert, der unanständige Leute umbringt und sich nach Lou Ford, der psychopathischen Hauptfigur in Jim Thompsons «The Killer Inside Me», Ford nennt und dessen Bücherregal «eine einzige Hommage an den Pulp» ist. Aber der eigentliche Plot ist, wie bei den meisten herausragenden Krimis, eher zweitrangig. Während der Mörder auf Thompson abfährt, steht der Cop auf die Polizeiromane von Ed McBain. Doch im Grunde, in der Tiefe ihrer Seelen, unterscheiden sich die beiden letztlich nicht gross voneinander.
Ein wunderbares Buch. Rasant und rabenschwarz, irrwitzig und intelligent, hochkomisch und hinterfotzig.
Mehr davon, mehr, mehr, mehr!

PS
Der Roman hat gleich auch den neuen Untertitel zu diesem Blog geliefert. Danke! 

Der Autor
Ken Bruen, *1951 in Galway, Irland, ist im deutschen Sprachraum vor allem für seine Jack-Taylor-Serie (übersetzt von Harry Rowohlt, Atrium Verlag) bekannt. Sehr lesenswert sind aber auch die drei zusammen mit dem amerikanischen Autor Jason Starr geschriebenen Romane um Max Fischer und Angela Petrakos (drei Romane von 2006 bis 2008; Deutsch bei Rotbuch) und überhaupt alles, was er geschrieben hat und noch schreibt. Alles sehr schwarz, sehr witzig, sehr gescheit.

Der letzte Satz

«Haben Sie denn keine Manieren?»


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