(«The Papers of Tony Veitch», Hodder and Stoughton, London,
1983)
Aus dem Englischen von Conny Lösch
2015, Verlag Antje Kunstmann, München, 317 Seiten
****1/2
Der erste Satz
Freitagnacht, Glasgow.
Das Buch
Jack Laidlaw ist wieder unterwegs in den Strassen von
Glasgow. Sechs Jahre hatte sich William McIlvanney Zeit gelassen für die
Fortsetzung von «Laidlaw»; erst 1983 (und nicht 1977, wie im Impressum der deutschen Ausgabe steht) erschien die
jetzt erstmals auf Deutsch vorliegende Fortsetzung. Und die ist noch stärker,
noch düsterer als der erste Band.
Hat man erst einmal verstanden, in was für einer Welt wir
leben, muss man sich auch den Dingen stellen, die man lieber nicht sehen
möchte.
McIlvaneys Stil und Erzählweise wirken sehr modern, dass man
sich in den frühen 1980er-Jahren befindet, zeigt sich nur in gewissen Details,
etwa weil es noch Studenten gibt, die sich als Marxisten bezeichnen, weil
Münztelefone statt Smartphones benutzt werden und weil Musik von Vinylplatten kommt.
Laidlaw stochert in einem verworrenen Fall mit mehreren
Toten, mischt lokale Gangster auf und steht auch Kotzbrocken aus der besseren
Gesellschaft auf die Zehen, immer auf der Suche nach Gerechtigkeit. Sein junger Kollege charakterisiert
ihn einmal so:
Laidlaw wirkte oft hart, konnte ein Arschloch sein. Manchmal
hatte man den Eindruck, er wolle Gott, sollte er ihm begegnen, erst mal einem
Lügendetektortest unterziehen. Aber er machte sich so unübersehbar etwas aus
den Menschen, war so unverkennbar verletzt durch das, was ihnen widerfuhr,
manchmal sogar durch sein eigenes Tun, dass es zum Steinerweichen war.
Unerschrocken geht Laidlaw seinen Weg, hart auch gegenüber
sich selbst und mit einem illusionslosen Blick auf die Realitäten des Lebens:
Rechtschaffenheit ist ein scheinheiliges Miststück, dachte
Laidlaw. Sie würde noch die Pullover ihrer schlotternden Kinder auftrennen, um
aus der Wolle öffentlich Handschuhe für einen guten Zweck zu stricken.
Bei solchen Sätzen freut man sich schon auf den dritten Laidlaw-Band, der im Herbst auf Deutsch erscheinen wird.
Der Autor
William McIlvanney, *1936 in Kilmarnock, Schottland, war bis
1975 als Englischlehrer tätig. 1966 veröffentlichte er sein erstes Buch,
«Remedy is None». Seiter erschienen mehr als ein Dutzend Bücher von ihm, für
die er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. Er veröffentlichte auch
Gedichte und Sachbücher. Mit der Laidlaw-Trilogie (Laidlaw», 1977; «The Papers
of Tony Veitch, 1983; «Strange Loyalities»,1991) gilt McIlvanney als Pionier
des «Tartan Noir», des modernen, schottischen hardboiled Krimis (der dritte
Laidlaw-Titel ist beim Verlag Antje Kunstmann für Herbst angekündigt unter dem
Titel «Falsche Treue»). «Ohne McIlvanney wäre ich wohl kein Krimiautor
geworden», sagt Ian Rankin, heute wohl der bekannteste schottische
Kriminalschriftsteller.
Der letzte Satz
Während Gus sie beobachte, wie sie gesetzt über den
Bürgersteig schwangen, dachte er betrunken, dass er etwas Wunderbares sah,
einen Geist so voller Lebensfreude, dass sogar das Schlangenstehen dadurch eine
eigene Ästhetik bekam.
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