12.02.2015

William McIlvanney – Die Suche nach Tony Veitch

(«The Papers of Tony Veitch», Hodder and Stoughton, London, 1983)

Aus dem Englischen von Conny Lösch

2015, Verlag Antje Kunstmann, München, 317 Seiten


****1/2


Der erste Satz
Freitagnacht, Glasgow.

Das Buch
Jack Laidlaw ist wieder unterwegs in den Strassen von Glasgow. Sechs Jahre hatte sich William McIlvanney Zeit gelassen für die Fortsetzung von «Laidlaw»; erst 1983 (und nicht 1977, wie im Impressum der deutschen Ausgabe steht) erschien die jetzt erstmals auf Deutsch vorliegende Fortsetzung. Und die ist noch stärker, noch düsterer als der erste Band.

Hat man erst einmal verstanden, in was für einer Welt wir leben, muss man sich auch den Dingen stellen, die man lieber nicht sehen möchte.

McIlvaneys Stil und Erzählweise wirken sehr modern, dass man sich in den frühen 1980er-Jahren befindet, zeigt sich nur in gewissen Details, etwa weil es noch Studenten gibt, die sich als Marxisten bezeichnen, weil Münztelefone statt Smartphones benutzt werden und weil Musik von Vinylplatten kommt.
Laidlaw stochert in einem verworrenen Fall mit mehreren Toten, mischt lokale Gangster auf und steht auch Kotzbrocken aus der besseren Gesellschaft auf die Zehen, immer auf der Suche nach Gerechtigkeit. Sein junger Kollege  charakterisiert ihn einmal so:

Laidlaw wirkte oft hart, konnte ein Arschloch sein. Manchmal hatte man den Eindruck, er wolle Gott, sollte er ihm begegnen, erst mal einem Lügendetektortest unterziehen. Aber er machte sich so unübersehbar etwas aus den Menschen, war so unverkennbar verletzt durch das, was ihnen widerfuhr, manchmal sogar durch sein eigenes Tun, dass es zum Steinerweichen war.

Unerschrocken geht Laidlaw seinen Weg, hart auch gegenüber sich selbst und mit einem illusionslosen Blick auf die Realitäten des Lebens:

Rechtschaffenheit ist ein scheinheiliges Miststück, dachte Laidlaw. Sie würde noch die Pullover ihrer schlotternden Kinder auftrennen, um aus der Wolle öffentlich Handschuhe für einen guten Zweck zu stricken.

Bei solchen Sätzen freut man sich schon auf den dritten Laidlaw-Band, der im Herbst auf Deutsch erscheinen wird.

Der Autor
William McIlvanney, *1936 in Kilmarnock, Schottland, war bis 1975 als Englischlehrer tätig. 1966 veröffentlichte er sein erstes Buch, «Remedy is None». Seiter erschienen mehr als ein Dutzend Bücher von ihm, für die er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. Er veröffentlichte auch Gedichte und Sachbücher. Mit der Laidlaw-Trilogie (Laidlaw», 1977; «The Papers of Tony Veitch, 1983; «Strange Loyalities»,1991) gilt McIlvanney als Pionier des «Tartan Noir», des modernen, schottischen hardboiled Krimis (der dritte Laidlaw-Titel ist beim Verlag Antje Kunstmann  für Herbst angekündigt unter dem Titel «Falsche Treue»). «Ohne McIlvanney wäre ich wohl kein Krimiautor geworden», sagt Ian Rankin, heute wohl der bekannteste schottische Kriminalschriftsteller.

Der letzte Satz
Während Gus sie beobachte, wie sie gesetzt über den Bürgersteig schwangen, dachte er betrunken, dass er etwas Wunderbares sah, einen Geist so voller Lebensfreude, dass sogar das Schlangenstehen dadurch eine eigene Ästhetik bekam.


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