(«Graveyard of Memories», Thomas & Mercer, Seattle,
2014)
Aus dem Amerikanischen von Peter Friedrichs
2015, AmazonCrossing, Luxemburg, 420 Seiten
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Der erste Satz
Wenn ich in all den Jahrzehnten in dieser Branche eine
Lektion gelernt habe dann diese: Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen
einem harten Ziel und einem Normalbürger ist die Selbstbeherrschung.
Das Buch
Mit seiner «Tokio Killer»-Reihe um den
japanisch-amerikanischen Auftragskiller John Rain hat Barry Eisler Massstäbe für
das Profikiller-Subgenre gesetzt. Inzwischen hat er die sieben Romane bei einem
Amazon-Imprint unter neuen Titeln neu herausgegeben; das gleiche tut er mit den
deutschen Ausgaben. «John Rain – herrenloser Samurai» heisst die Reihe nun. Nachgeschoben
hat er den jetzt erstmals vorliegenden Roman, der quasi ein Prequel der Reihe
darstellt. Hier geht es um die Geschichte des jungen John Rain, darum, wie er
zum Auftragskiller wurde. Rain erzählt dabei seine Geschichte rückblickend aus
heutiger Sicht, aus der er auch seine Fehler und seine Fehleinschätzungen
beurteilen kann. Er erzählt von seiner ersten grossen Liebe, die er ziehen
lassen musste. Er sinniert darüber, was er richtig und was er falsch gemacht
hat, über sein Leben ausserhalb aller Normen und jenseits aller Gesetze. In
einer Schlüsselstelle heisst es:
Ich war zu jung, um zu begreifen, dass manche Erinnerungen
nicht verblassen, nicht altern oder sterben. Dass die Last unserer Taten
zusammenwächst, sich akkumuliert und verfestigt. Dass das Leben bedeutet, mit
dieser allgegenwärtigen Bürde zurechtzukommen, sie zu tragen und zu
akzeptieren. Sie begleitet einen jeden einzelnen Tag, bis man den Punkt
erreicht hat, an dem es einem alle Energie kostet, nur um diese Last zu
schultern. Und wenn man endlich bereit ist, diese Bürde abzulegen, geht das nur
um den Preis, auch alles andere aufzugeben, alles was man je hatte oder noch
hat oder was einem je bestimmt war. Man sollte lieber hoffen, dass es dann
wirklich das Ende ist, denn niemand weiss, was danach kommt.
Trotz zahlreicher derartiger Reflexionen ist «Grab der
Erinnerungen» nicht nur ein Roman, der in die Tiefe geht, sondern auch ein
spannender Thriller. Der junge Rain, der nach seiner Rückkehr aus Vietnam als
Schmiergeldbote für die CIA in Tokio arbeitet, wird von seinem Führungsagenten
arg manipuliert und zum Mörder gemacht. Rain lernt schnell, und als ihm einiges
klar wird, gehört dazu auch, dass er selbst auf der Abschussliste steht.
Wie oft in seinen Romanen dokumentiert Barry Eisler in einem
Anhang, dass viele der politischen Vorkommnisse, die den Hintergrund der Geschichte bilden, nicht erfunden sind. Er
versteht es hier einmal mehr, reale Ereignisse raffiniert mit der fiktiven
Handlung zu verknüpfen.
Zwischen diesem Roman und der ersten «Tokio
Killer»-Geschichte liegen immer noch zehn Lebensjahre von Rain, die Eisler
literarisch nicht beackert hat. Man weiss darüber, dass Rain als Söldner in der
Welt unterwegs war. Vielleicht gibt das ja mal einen weiteren Roman her. Ich
würde ihn jedenfalls gerne lesen.
Der Autor
Barry Eisler, *1964 in New Jersey, arbeitete nach dem
Studium als verdeckter Agent bei der CIA und war danach im Silicon Valley und
in Japan als Fachanwalt für Technologie und als Manager für
Unternehmungsgründungen tätig. Ab 2002 machte er mit seiner Thriller-Reihe um
den amerikanisch-japanischen Auftragskiller John Rain (zunächst als «Tokio Killer» vermarktet, jetzt als «herrenloser Samurai») als
Autor Furore. Die sieben auf Deutsch (bei Scherz und als Fischer Taschenbücher)
erschienen Titel der Reihe werden derzeit auf Wunsch des Autors mit neuen
Titeln bei AmazonCrossing neu aufgelegt; bisher sind die ersten drei Bände
erschienen. Eisler, der in der Bay Area von San Francisco lebt, bloggt unter
dem Titel «The Heart of the Matter» engagiert
über Bürgerrechte, Folter und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.
Der letzte Satz
Und das, was man nicht fertigbringt.
Die ersten Neuausgaben der «John Rain – herrenloser Samurai»-Reihe (ursprünglich: «Tokio Killer»):
Die drei ersten Bände als eBook (Kindle):
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