23.09.2015

Seamus Smyth – Spielarten der Rache

(«Red Dock», Manuskript 2010; im Original nicht erschienen)

Aus dem Englischen von Ango Laina und Angelika Müller; mit einem Vorwort von (Verleger) Frank Nowatzki

2015, Pulp Master, Berlin, 267 Seiten


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Die ersten Sätze
Sie wollen Millionär werden? Dann Finger weg von der Erwerbsarbeit. Fünfzig Jahre im Hamsterrad und bevor Sie sich versehen, gräbt irgend ein Arsch ein Loch und schmeisst Sie hinein.

Das Buch
Ein ebenso bitterböses wie brillantes Stück Literatur. Schwärzer als Noir! In der Heimat des irischen Schriftstellers Seamus Smyth mochte es niemand veröffentlichen. Wohl zu kompromisslos und zu düster ist die Geschichte. Der ebenso kundige wie engagierte Pulp-Master-Verleger Frank Nowatzki (eine erweitere Fassung seines erhellenden Vorwortes ist auf Culturmag.de zu lesen) hat sich dem Werk, das bisher nur auf Französisch erschienen ist, verdienstvoll angenommen.
Thema des Buches ist der ungeheuerliche Missbrauchsskandal, der in Irland vor 20 Jahren aufgedeckt wurde. Während Jahrzehnten waren Tausende von Kindern in Institutionen der katholischen Kirche misshandelt und missbraucht worden, und alle, die davon wussten, schauten weg.
Red Dock, der Ich-Erzähler, war eines dieser Kinder. Erwachsen geworden, sah er keinen Sinn in gesetzestreuer Erwerbsarbeit. Er wollte vor allem eines: Sich rächen. Für das, was Behörden und Institutionen ihm, vor allem aber seinem Zwillingsbruder, angetan hatten. Da kennt er keine Gnade. Über viele Jahre setzt er einen teuflischen Plan Schritt für Schritt um. Dabei scheut er nicht davor zurück, andere Kinder in die Lage zu bringen, in der er selbst einmal war.

Ich gehöre zu den Bösen. Sie müssen mich dafür hassen. Ich bin der Kerl, den man verabscheuen muss. Leute wie ich begegnen Ihnen in den Geschichten über wahre Kriminalfälle, nicht in Romanen, die von liebenswerten Helden handeln. (…) Und nebenbei bemerkt, sollte er sie bereits tranchiert haben, konnte ich sowieso nichts mehr für sie tun.

Nein, Red Dock hilft der jungen Frau nicht aus den Fängen eines Serienkillers, der im eines Tages in die Quere kommt. Er geht, scheinbar vollkommen gewissenlos, seinen Weg. Seamus Smyth vermag mit seinem eiskalten Antihelden dem Leser ein bisschen etwas von der ausweglosen Hölle zu vermitteln, aus der viele der missbrauchten Menschen ihr Leben lang nicht richtig ausbrechen können. Das ist keine lockere Unterhaltungslektüre, sondern ziemlich beklemmend. Und gerade deshalb höchst lesenswert.


Der Autor
Seamus Smyth, geboren 1952 in Belfast, war Pferdezüchter, Restaurator und Sattelmacher, bevor er zu schreiben begann. Sein erster Roman «Quinn» erschien 2000 und wurde hoch gelobt; er erschien auch auf Französisch und Japanisch. Der jetzt auf Deutsch vorliegende Roman mit dem Originaltitel «Red Dock» fand – bisher – keinen englischsprachigen Verleger.

Der letzte Satz
«Abgeliefert von Constable Winters.»





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