(«Il Metodo del Coccodrillo»,
Arnoldo Mondadori Editore, Milano, 2012)
Aus dem Italienischen von
Susanne Van Volxem
2014, Kindler/Rowohlt Verlag,
Reinbek; 2015, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek, 335 Seiten
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Der erste Satz
Der Tod kommt um acht Uhr
vierzehn auf Gleis drei an, mit sieben Minuten Verspätung.
Das Buch
Inspektor Giuseppe Lojacono sitzt
an einem Schreibtisch in einer Polizeidienststelle in Neapel und spielt Poker
gegen den Computer. Seit gut zehn Monaten. Er wurde von Sizilien hierher
strafversetzt, nachdem ein Mafioso ihn an als Informanten genannt hatte. Die
Vorgesetzten wollen in hier aussen vor lassen, es hat seine Zeit abzusitzen und
damit hat es sich. Lojacono hadert mit seinem Schicksal, mit der Trennung von
seiner Familie, vor allem von der Teenager-Tochter. Aber auch mit der neuen
Stadt.
Eine Stadt, die so ganz anders
war, als er es sich vorgestellt hatte, misstrauisch, klamm und dunkel, viel
verschlossener und undurchsichtiger, als es zunächst den Anschein macht. Eine
Stadt, in der jeder darauf bedacht war, nicht in Schwierigkeiten zu geraten, in
der man nur mit seinem eigenen Kram beschäftigt war, stets auf dem Sprung. Eine
Stadt, die einem zwischen den Fingern zerrann, die sich urplötzlich verflüssigte
oder in Luft auflöste.
Eines Nachts, er wurde zum
Bereitschaftsdienst eingeteilt, weil die anderen Beamten nicht wollten und es
ihm egal war, ob er die Nacht lang in seinem Zimmer oder im Büro an die Decke
starrte, passiert etwas, und Lojacono ist der erste Beamte am Ort
eines Mordes. Er wird dann gleich wieder weggeschickt, als die anderen kommen.
Doch er hat sich den Tatort gut angesehen, und er ist überzeugt, dass die Tat
nicht auf das Konto der Camorra ging.
Wie stellt er doch einmal fest:
«In dieser Stadt wird die Camorra
wie ein Auffangnetz betrachtet: Alles, was Schreckliches passiert, wird ihr
zugeschrieben, direkt oder indirekt.»
Staatsanwältin Laura Piras, auch
sie, wie meisten Figuren in diesem Buch, eine, die unter einem Verlust leidet, hat gehört, dass der seltsame, schweigsame Beamte nicht an die
Camorra-Theorie der Ermittler glaubt, und als sie nicht weiterkommen, zieht sie
ihn bei. Zusammen kommen sie einem unheimlichen Rächer auf die Spur. Aber noch
rechtzeitig genug?
Es ist eine düstere Geschichte,
die Maurizio de Giovanni gekonnt entwickelt und eindrücklich erzählt.
Eindringlich und einfühlsam bringt er dem Leser die Leiden seiner Figuren nahe.
Noir auf Italienisch. Zwischendurch wird die stets greifbare Melancholie fast
schon poetisch:
Wenn es regnet, kann man das
Morgengrauen nicht heraufziehen sehen. Plötzlich ist es da. Während man noch an
etwas anderes denkt, ist es auf einmal da und schaut einen an.
Man spürt es in der Luft. Man
sieht, wie die Nacht den Regen allmählich abstreift, und plötzlich ist da ein
fahles Licht, transparent wie ein feuchtes Seidentuch.
Langsam senkt es sich herab, wie
eine Krankheit. Es legt sich auf die rauchgrauen Bäume, benetzt die Mauern mit
seinen Tränen, nimmt den Pflastersteinen ihren Glanz.
Ein solches Morgengrauen lässt
einem den Atem stocken. Wer trauert und nicht schlafen kann, dem fügt es
weiteren Schmerz hinzu.
Der Autor
Maurizio de Giovanni, *1958 in
Neapel, studierte Literatur, arbeitete aber hauptberuflich auf einer Bank. Seit
2005 veröffentliche er zahlreiche Bücher, darunter insbesondere eine Serie um Commissario
Ricciardi, die bisher zehn Bände umfasst; vier davon sind auf Deutsch bei
Suhrkamp/Insel erschienen. «Das Krokodil», der erste Fall in der Serie um
Inspektor Lojacono, wurde 2012 mit dem Premio Scerbanenco, dem wichtigsten
italienischen Krimipreis, ausgezeichnet; das Buch erschien auch in Frankreich,
England und in den USA. Inzwischen ist auch der zweite Band, «Die Gauner von
Pizzofalcone», auf Deutsch erschienen; in Italien gibt es bereits vier
Lojacono-Romane.
Der letzte Satz
«Hallo?»
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