(«Savages», Simon & Schuster, Inc.,
New York, 2010)
New York, 2010)
Aus dem Amerikanischen von Conny Lösch
2011, Suhrkamp, 338 Seiten
****½
Der erste Satz
Fickt euch.
Das Buch
In seinem aktuellen Roman greift Don Winslow quasi eine
Randanekdote seines ebenso brillanten wie monströsen Drogenkriegs-Epos «Tage
der Toten» (im Original bereits 2005 erschienen, deutsch erst 2010) heraus und
entwickelt darauf einen eigenen schnellen, schrägen Roman. Die kalifornischen
Sonnyboys Ben und Chon produzieren das beste Hydro-Gras und machen damit ein
gutes Geschäft. Ben tut zudem mit seinen Gewinnen Gutes in der Dritten Welt.
Das Leben ist schön und macht Spass. Bis per Mail ein Clip eintrifft:
Eine Kamera schwenkt über eine Reihe von neun abgetrennten
Köpfen, die in einer Lagerhalle auf dem Boden aufgereiht liegen. (…) Dann fährt
die Kamera an der Wand hinauf, wo die Leiber der Enthaupteten an Haken hängen.
Nachdem das Baja-Kartell so den Tarif durchgegeben hat,
kommen ein Anwalt und ein Buchhalter, beide in Armani-Anzügen, vorbei und
erklären, wie es weiter geht: Ben und Chon produzieren ab sofort für das
Kartell, das sie dafür bezahlt. Ben und Chon denken nicht daran – lieber
steigen sie aus dem Geschäft aus. Das erlaubt das Kartell aber nicht. Und
entführt Ben und Chons Freundin Ophelia. Drei Jahre sollen Ben und Chon das
Kartell beliefern, in dessen Gewalt derweil das Mädchen bleibt. Oder sie
bezahlen 20 Millionen Dollar. Um die Kohle zu beschaffen, beginnen Ben und Chon
Geldtransporte des Kartells zu überfallen, und es entwickelt sich eine wüster
Krieg, der im Lauf der Geschichte immer brutaler wird.
Don Winslow erzählt diese Geschichte rasant in 290 Kapiteln
auf 338 Seiten; das kürzeste Kapitel ist oben (Der erste Satz) komplett
zitiert, ein anderes lautet zum Beispiel:
Wenn man zulässt, dass einen die Leute für schwach halten,
muss man sie früher oder später töten.
Überhaupt zieht Winslow hier für das Genre eher
ungewöhnliche stilistische Register. Sätze kommen teils in Stakkato daher, ein bisschen
wie gerappt, andere enden im Nichts, ganze Abschnitte wirken wie reimlose
Verse. Und das Ganze ist gespickt mit sarkastischen und bitterbösen
Betrachtungen und Exkursen über Politik und das heutige Leben überhaupt. Kleine
Kostprobe:
Vor nicht allzu langer Zeit waren die Republikaner
Gegenstand der Angst und des Hasses – jetzt sind sie bloss noch jämmerliche
Arschlöcher. Barry ist in den gegnerischen Raum gedribbelt und hat kurzen
Prozess mit ihnen gemacht (O-BAM-a!). Jetzt laufen sie rum wie weisse
Verbindungsstudenten in Bedford-Stuyvesant, die auf harte Macker machen, um zu
beweisen, dass sie keine Angst haben, obwohl ihnen gleichzeitig schon der Urin
aus den Chinohosen in die Ziegenlederschuhe läuft. (…)
Natürlich werden die Demokraten eine völlig abseitige
Möglichkeit finden, kurz vor der Torlinie doch noch abzukacken; das tun sie
immer («Wie war dein Name noch mal, Schätzchen? Monica?»). In der Zwischenzeit
kann Chon es aber kaum abwarten – kann es nicht abwarten –, bis der
unvermeidliche Moment eintritt und sich eine dieser Witzfiguren an einem
eingeschalteten Mikrophon verschluckt und Obama als «Nigger» bezeichnet. Es
wird passieren, jeder weiss, dass es passieren wird, es ist nur eine Frage der
Zeit, und wenn’s so weit ist, wird der Ausdruck auf dem dämlichen Käsegesicht
des Betreffenden rasend komisch anzusehen sein, wenn er nämlich kapiert, dass
seine Karriere toter ist als die Kennedys.
Sicher kein Buch nach jedermanns Geschmack. Aber sackstark.
Ein Kompliment gebührt der – viel beschäftigten – Übersetzerin, die es
bravourös schaffte, Winslows Sätze in ein adäquates Deutsch zu übertragen.
Der Autor
Don Winslow, *1953 in New York City, veröffentlicht seit 20
Jahren Romane. 2010 erschien auf Deutsch sein opus magnum «Tage der Toten»
(*****, Suhrkamp; «The Power of the Dog», 2005). Sehr empfehlenswert sind auch
seine witzigen Surfer-Krimis «Pacific Private» (****, 2009 Suhrkamp; «The Dawn
Patrol», 2008) und «Pacific Paradise» (****, 2010, Suhrkamp; «The Gentlemen’s
Hour», 2009). 2011 veröffentlichte er «Satori» (***1/2, Heyne), eine Fortsetzung
von Trevanians Roman «Shibumi» (***1/2, 2011, Heyne; 1979), den er im Auftrag der
Erben von Trevanian (Rodney William Whitaker) geschrieben hatte. Winslow lebt
in Kalifornien.
Der letzte Satz
Wunderwunderschöne Wilde.
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