02.04.2015

Adrian McKinty – Die verlorenen Schwestern

(«In the Morning I’ll Be Gone», Serpent’s Tail, London, 2014)

Aus dem Englischen von Peter Torberg

2015, Suhrkamp Verlag, Berlin, 378 Seiten


****

Der erste Satz
Am Mittwoch, den 25. September 1983, um 16 Uhr 27 schlug der Pieper an.

Das Buch
Mit dem dritten Band der Reihe um Sean Duffy, den «katholischen Polizist» in der protestantischen Polizei im Nordirland der 1980er-Jahre, bestätigt Adrian McKinty einmal mehr seine grosse Klasse. «Die verlorenen Schwestern» ist etwas verspielter und auch ein bisschen weniger realistisch als der gnadenlos gute Vorgänger «Die Sirenen von Belfast»
(****1/2), der einer der allerbesten auf Deutsch erschienenen Krimis im Jahr 2014 war. Duffy ist, nachdem er sich in der (wahren) DeLorean-Affäre mit dem FBI angelegt hatte (fiktiv; in «Die Sirenen von Belfast»), suspendiert. Doch der britische Geheimdienst MI5 lässt ihn in den Dienst zurückkehren, was ihn bei allen Problemen mit den Chefs halt doch ein bisschen freut:
«Ich mag diesen Job. Dinge herausfinden. Die Ordnung wiederherstellen. Die Welt zurechtrücken.»

Duffy soll Dermot McCann, einen aus dem Gefängnis ausgebrochenen und in Libyen geschulten Top-Bombenbauer der IRA finden – Duffy war mit ihm zur Schule gegangen und war sein Stellvertreter als Klassensprecher. Natürlich mauern McCanns Familie und Bekannte. Doch die Ex-Schwiegermutter, die nicht sehr gut auf ihn zu sprechen ist, verspricht Hilfe, wenn Duffy den Tod ihrer jüngsten Tochter aufklären würde, der von der Polizei als Unfall abgehakt worden ist. Die Tochter wurde in einem von innen verschlossenen Raum tot aufgefunden, es handelt sich also um ein klassisches «locked room mistery», und McKinty spielt witzig mit diesem Subgenre des frühen Detektivromans. McKinty, dessen Duffy-Romane immer einen sehr realistischen Eindruck machten, verlässt diesen sicheren Boden hier auch im dramatischen Finale ein bisschen.
Auch wenn der neue Roman nicht ganz die Brisanz des letzten hat, ist er ein starkes Stück. Und wie immer liest man nicht nur die meist sehr sarkastischen politischen Aussagen gerne, sondern auch die beiläufigen Betrachtungen und Bemerkungen zum Leben an sich und zur Kultur jener Zeit:
Bevor ich den Schlüssel in die Zündung steckte, stieg ich wieder aus und suchte unterm Wagen nach Bomben mit Quecksilberzünder. Es gab keine, also stieg ich wieder ein und schob eine Kassette in den Recorder, Robert Plants «The Principle of Moments». Ich hörte mir Plants Soloalbum zum vierten Mal an, und noch immer brachte ich es nicht über mich, es zu mögen. Nur Synthesizer, Drum Machine und hohe Stimmen. Aber so waren die Zeichen der Zeit, und nun, da der Herbst angebrochen war, konnte man mit ziemlicher Bestimmtheit festhalten, dass 1983 wohl das schlimmste Jahr in der Geschichte der Popmusik der letzten zwei Jahrzehnte werden würde.

Der Autor
Adrian McKinty, *1968 in Belfast, zog nach einem Philosophie-Studium an der Oxford University nach New York, wo er unter anderem als Wachmann, Vertreter, Rugbytrainer, Buchhändler, Postbote und Journalist arbeitete. 2000 zog der nach Denver. 2003 debütierte er mit dem ersten Band der starken «Dead»-Trilogie (****; «Der sichere Tod», Suhrkamp, 2010; Original: «Dead I Well May Be», 2003) um den jungen Iren Michael Forsythe, der in die irische Gangsterszene in den USA eintaucht. 2013 erschien der erste Band der Sean-Duffy-Reihe auf Deutsch («Der katholische Bulle», ****, Suhrkamp, 2013; Original: «The Cold Cold Ground», 2012). McKinty zog 2008 nach Melbourne; heute lebt er mit seiner Familie im australischen St Kilda.

Der letzte Satz
Ich klappte meinen Mantelkragen hoch und ging zu meinem Wagen, machte mich bereit für den kommenden langen, langen Krieg …


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