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Nach der Arbeit fuhr ich nach Hause, duschte den Schweiss ab und las ein bisschen in einem Buch von einem Autor, der keine Anführungs-zeichen verwendete und mächtig Schiss hatte, sein Roman könnte unterhaltsam sein. Ich klappte das Buch zu und legte es auf den Tausch-Haufen fürs Antiquariat, ging hoch und sah fern.
(aus: Joe R. Landsdale, «Das Dixie-Desaster», Golkonda
Verlag)
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****1/2
James Lee Burke – Glut und Asche
(«Feast Day of Fools», 2011, Simon & Schuster, New York)
Aus dem Amerikanischen von Daniel Müller
2015, Wilhelm Heyne Verlag (Heyne Hardcore), 699 Seiten
Der erste Satz: Manch einer war der Meinung, die Visionen
von Danny Boy Lorca stammten vom Meskal, der seine Hirnzellen aufgeweicht
hatte.
Das Buch: Die Fortsetzung des genialen Romans «Regengötter» haut nicht mehr ganz so heftig rein wie der Vorgänger, die neue Geschichte um
Sheriff Hackberry Holland im südtexanischen Grenzgebiet ist aber noch allweil
grosses Kino. Es geht um einen verschwundenen Bundesbeamten, der von
Drogenbanden und Mafiosi ebenso gejagt wird wie vom FBI und vom Psychopathen
Preacher Jack Collins, einem Erzfeind Hollands, beschützt wird.
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****
Newton Thornburg – Cutter und Bone
(«Cutter and Bone», 1976, Little, Brown and Company, Boston)
Aus dem Amerikanischen von Susanna Mende (Neuübersetzung)
2015, Polar Verlag, Hamburg, 367 Seiten
Der erste Satz: Es war nicht das erste und wahrscheinlich
auch nicht das letzte Mal, dass sich Richard Bone mit einem Remington
Ladyshaver rasierte.
Das Buch: Der Thriller um den Vietnamveteranen Alex Cutter
und seinen Kumpel Richard Bone ist ein Klassiker der modernen amerikanischen
Literatur (1981 von Ivan Passer als «Cutter’s Way» verfilmt mit Jeff Bridges
als Bone). Es war das erfolgreichste von einen knappen Dutzend Bücher von
Newton Thornburg (1929–2011). Das eigenwillige Noir-Stück mit
existentialistischer Note liest sich auch 40 Jahre nach seinem Entstehen noch
frisch und eindrücklich.
Adrian McKinty – Gun Street Girl
(«Gun Street Girl», 2015, Serpent’s Tail, London)
Aus dem Englischen von Peter Torberg
2015, Suhrkamp Verlag Berlin (suhrkamp nova), 376 Seiten
Der erste Satz: Sssssssssssssssssssssssssssss …
Das Buch: Der vierte Band der brillanten Reihe um den
katholischen Bullen Sean Duffy führt erneut in das Belfast der 1980er-Jahre.
Intelligent, spannend, stark erzählt.
Wallace Stroby – Kalter Schuss ins Herz
(«Cold Shot to the Heart», 2011, Martin’s Press, New York)
Aus dem Amerikanischen von Alf Mayer
2015, Pendragon Verlag, Bielefeld, 351 Seiten
Der erste Satz: Drei Minuten nachdem sie durch den
Haupteingang gekommen war, hatte Crissa den Manager und die zwei Angestellten
mit den Gesichtern auf dem Boden, die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken
gefesselt.
Das Buch: Crissa Stone ist eine weibliche Version von
Richard Starkes (bzw. Donald Westlakes) Parker, eine professionelle Räuberin. Wallace Stroby versteht den ersten Band seiner
Crissa-Reihe denn auch als Hommage an den Altmeister und weitere Vorbilder,
darunter etwa Lawrence Block. Nachdem ein Raubzug auf eine Pokerrunde aus dem
Ruder gelaufen ist, wird ein vermeintlicher Kumpel zu Crissas Gegner. Sehr
vielversprechend, man freut sich auf die Fortsetzung.
Joe R. Lansdale – Das Dixie-Desaster
(«Vanilla Ride», 2009, Alfred A. Knopf, New York)
Aus dem Amerikanischen von Heide Franck
2015, Golkonda Verlag, Berlin, 279 Seiten
Der erste Satz: Ich hatte mir schon länger keine Kugel mehr
gefangen, und seit einem Monat oder zwei hatte mir niemand mehr auf den Schädel
gehauen.
Das Buch: Eine weiterer Krimi-Klamauk mit dem Duo Hap
Collins und Leonard Pine aus der texanischen Provinz. Wie immer: höchst vergnüglich.
Carsten Stroud – Der Aufbruch
(«The Reckoning», 2015, Vintage Bokks/Penguin Random House,
New York)
Aus dem dem amerikanischen Englisch von Daniel Hauptmann
2015, DuMont Buchverlag, Köln, 541 Seiten
Der erste Satz: Im Jahre 1814 versammelten sich die Einwohner
von Niceville unter einem vollen Herbstmond am Ufer des Tulip, um über das Böse
zu beratschlagen, das sich in ihrer Stadt ausgebreitet hatte, und um zu
überlegen, was dagegen unternommen werden konnte.
Das Buch: Der Pakt der früheren Bewohner von Niceville hat
über zweihundert Jahre gehalten.
Dann, in einer verregneten Freitagnacht im Oktober, brach
die Hölle los.
Auch den letzten Band der Niceville-Trilogie, wiederum eine
wilde Mischung aus Horror- und Kriminalroman, habe ich sehr gerne gelesen, obwohl
mich alles Übersinnliche sonst eigentlich nervt und meistens auch langweilt.
Doch Carsten Stroud ist ein grossartiger Erzähler, der seine Geschichte mit
viel schwarzem Humor würzt und mit seinem Fabulieren auch einen Liebhaber von
hartem Realismus in der Literatur fesseln und bestens unterhalten kann.
Don Winslow – China Girl
(«The Trail To Buddah’s Mirror» 1992, St. Martin’s Press,
New York)
Aus dem Amerikanischen von Conny Lösch (Neuübersetzung)
2015, Suhrkamp Verlag Berlin (suhrkamp taschenbuch), 441
Seiten
Der erste Satz: Wieso hatte er bloss aufgemacht.
Das Buch: Der zweite Band der Neal-Carey-Serie macht so viel
Spass wie der erste. Ganz nebenbei lernt man Einiges über das China der 1980er-Jahre.
Jim Thompson – Die Verdammten
(«The Transgressors», 1961, First Vintage Crime / 1994,
Black Lizard Edition, New York)
Aus dem Amerikanischen von Simone Salitter und Gunter Blank
2015, Wilhelm Heyne Verlag, München (Heyne Hardcore), 302
Seiten
Der erste Satz: Das riesige Cabrio schaukelte gemächlich
unter dem texanischen Himmel dahin, der an diesem Nachmittag Ende August hier
im äussersten Westen ein blasses, vom Wind leer gefegtes Blau angenommen hatte.
Das Buch: Noch immer erscheinen regelmässig Romane von des
grossen Noir-Meisters Jim Thompson (1906–1977), die bisher noch nie auf Deutsch
vorlagen. Und jeder ist lesenswert. So auch diese wüste Geschichte um ein paar
«Verdammte» in einer vom Ölrausch erfassten texanischen Kleinstadt.
Howard Linskey – Killer Instinct
(«The Dead», 2013, No Exit Press, Harpenden UK)
Aus dem Englischen von Karl-Heiz Ebnet
2015, Knaur Verlag / Droemer Knaur, München, 379 Seiten
Der erste Satz: Tote haben nichts mehr ausser der Macht, das
Leben der Hinterbliebenen zu zerstören.
Das Buch: Der dritte Roman des nordenglischen Autors um das
organisierte Verbrechen in Newcastle setzt die Saga um den Gangsterboss Davis
Blake, der seine Gang wie ein Unternehmen führt, so virtuos fort, wie wir uns
das von den Vorgängern gewohnt sind.
Richard Lange – Angel Baby
(«Angel Baby», Mullholland Books, New York, 2013)
Aus dem amerikanischen Englisch von Jan Schönherr
2015, Wilhelm Heyne Verlag, München (Heyne Taschenbuch), 350
Seiten
Der erste Satz: Ihren ersten Fluchtversuch hatte Luz vorher
nicht durchdacht.
Das Buch: Der zweite Roman von Richard Lange (*1961), der
unter anderem Redaktor eines Heavy-Metal-Magazins war, erzählt von einer jungen
Frau, die aus der Ehe mit einem mexikanischen Gangsterboss in die USA, wo sie
bei Verwandten ihr Kind zurückgelassen hatte, flieht. Auf der Flucht tut sie
sich mit Malone zusammen, einem aus seinem bürgerlichen Leben gefallenen
Amerikaner, der Mexikaner über die Grenze schmuggelt und sich langsam zu Tode
säuft. Verfolgt von den Gangstern und von ihren eigenen Dämonen suchen die
beiden Versehrten ihren Weg in die Freiheit.
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***1/2
Deon Meyer – Icarus
(«Ikarus», 2015, Human & Rosseau, Cape Town)
Aus dem Afrikaans von Stefanie Schäfer
2015, Rütten & Loening / Aufbau Verlag, Berlin, 429
Seiten
Der erste Satz: Es war ein Komplott zwischen Himmel und
Erde, das die Leiche Ernst Richters dem Boden entriss – als hätten sich die
Elemente verschworen, um der Gerechtigkeit auf die Sprünge zu helfen.
Das Buch: Sechshundertzwei Tage ohne Alkohol lagen hinter
Bennie Griessel, doch nachdem ein Polizeikollege seine Frau, seine zwei Töchter
und sich selbst erschossen hatte, dachte er nicht mehr daran. Deon Meyers
neuester Roman ist etwas einfacher strukturiert als manche Vorgänger – Meyer baut
gerne mehrere Handlungsstränge parallel auf und führt sie raffiniert nach und
nach zusammen –, aber wie immer spannend und voller interessanter Einblicke in
die heutige Gesellschaft und Politik in Südafrika. So ganz nebenbei erzählt der
Roman auch Erhellendes über die Geschichte des Weinbaus am Kap.
James Swain – Der Kasino-Coup
(«Take Down», 2015, Thomas & Mercer, Seattle)
Aus dem Amerikanischen von Polly Langenbach
2015, AmazonCrossing, Luxemburg, 515 Seiten
Der erste Satz: Nach seiner Verhaftung im Galaxy-Kasino
wurde Billy in Handschellen gelegt und ins Clark-County-Gefängnis gebracht, wo
er an einem Stuhl festgemacht wurde und einem begriffsstutzigen Beamten dabei
zusah, wie dieser im Zweifingersystem die Anklageschrift in einen Desktop-PC
hackte.
Das Buch: Originelle Gauner-Geschichte aus Las Vegas über
einen Casino-Betrüger, der anderen Betrügern das Handwerk legen soll, aber
dabei vor allem seine eigenen Pläne verfolgt. Auch wenn das Deutsch der
Übersetzung bisweilen etwas holperig klingt, eine ebenso spannende wie
vergnügliche Lektüre.
Gene Kerrigan – In der Sackgasse
(«Dark Times in the City», 2009, Harvill Secker, London)
Aus dem Englischen von Andrea Stumpf
2015, Polar Verlag, Hamburg, 311 Seiten
Der erste Satz: «Bitte tun Sie ihm nichts», sagte der
verängstigte Mann.
Das Buch: Nach «Die Wut» 2014; Original «The Rage, 2011) legt
der Polar Verlag nun den Vorgänger des irischen Autors Gene Kerrigan vor, in
dem er den nachmaligen Helden Bob Tidey einführte. Ein ansprechender Roman aus
dem Kleinkriminellen-Milieu, wenn auch noch nicht ganz so stringent erzählt wie
der Nachfolger.
Sergio Ramírez – Der Himmel weint um mich
(El cielo llora por mí», 2008, Alfaguara, Madrid)
Aus dem Spanischen von Lutz Kliche
2015, edition 8, Zürich, 291 Seiten
Der erste Satz: Das Fenster des Büros von Inspector Dolores
Morales im zweiten Stock des Polizeipräsidiums an der Plaza del Sol, wo die
Abteilung für Drogenkriminalität untergebracht ist, stand immer weit offen,
weil die Klimaanlage schon seit Ewigkeiten nicht mehr funktionierte.
Das Buch: Die Klimaanlage ist nicht das einzige, das im
Nicaragua dieses Romans nicht funktioniert. Vor allem auch die galoppierende
Bürokratie macht Inspector Morales, einem ehemaligen sandinistischen
Guerillero, die Arbeit schwer. Er ermittelt in einem Drogenhandel- und
Mordfall, der weite Kreise bis in die bessere Gesellschaft zieht.
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Ben Atkins – Stadt der Ertrinkenden
(«Drowing City»), Polar Verlag, Hamburg, 278 Seiten
Krimi über die Prohibitionszeit in den USA; erstaunliches
Debüt eines Teenagers aus Neuseeland.
William McIlvanney – Fremde Treue
(«Strange Loyalities»), Verlag Antje Kunstmann, München, 349
Seiten
Der letzte Laidlaw-Band kann leider nicht ganz mit den
beiden Vorgängern mithalten. (PS: McIllvanney ist am 5. Dezember 2015 79-jährig gestorben)
Jérémie Guez – Paris, die Nacht
(«Paris la nuit»), Polar Verlag, Hamburg, 148 Seiten
Schmales Debüt eines jungen französischen Autors um kleine
Dorgendealer in Paris. Vielversprechend.
Maurizio de Giovanni – Die Gauner von Pizzofalcone
(«I Bastardi di Pizzofalcone»), Kindler/Rowohlt Verlag,
Hamburg, 396 Seiten
Der zweite Roman um Inspektor Lojacono in Neapel vermag
nicht ganz einzulösen, was der erste versprochen hat. Maurizio de Giovanni bleibt weit hinter seinem Vorbild Ed
McBain.
Barry Lancet – Tokio Kill
(«Tokio Kill»), Wilhelm Heyne Verlag, München, 495 Seiten
Etwas viel «Landeskunde», daneben aber durchaus spannende
Fortsetzung von «Japantown».
Sara Gran – Dope
(«Dope»), Droemer Knaur, München, 252 Seiten
Nach dem Erfolg von «Stadt der Toten» werden jetzt die
früheren Werke Sara Grans übersetzt. Stimmungsvolle Fingerübung um die
Drogenszene der 1950er in Manhattan.
Sam Millar – True Crime
(«On The Brinks»), Atrium Verlag, Zürich, 412 Seiten
Kein Roman, sondern die Geschichte des ehemaligen
IRA-Aktivisten und heutigen Krimiautors Sam Millar, der in den 1980er-Jahren in
New York einen spektakulären Raubüberfall organisierte, der bis heute nicht
vollständig aufgeklärt ist. Wohl deshalb bleibt etwas viel im Dunkeln.
Gary Victor – Soro
(«Soro»), litradukt, Trier, 143 Seiten
Als «Voodoo-Krimi» annonciert, aber mit Voodoo hat er wenig
zu tun. Säufer-Roman um einen Mord nach dem grossen Erdbeben in Haiti. Teils
packend und berührend, teils – trotz geringem Umfang – etwas langatmig.
David Gray – Kanakenblues
Pendragon Verlag, Bielefeld, 373 Seiten
Teils sprachlich etwas forciertes, aber vielversprechendes
Debüt eines deutschen Autors: 24 Stunden Jagd nach einen Mörder in Hamburg,
wobei Hauptkommissar Boyle auch eigene Interessen verfolgt.
Jim Ford – Todeswut
(«The Bug House»), Goldmann Taschenbuch, München, 223 Seiten
Schneller, leichter Polizeiroman aus Newcastle upon Tyne.
Gute Dialoge.
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**1/2
James Ellroy – Perfidia
(«Perfidia»), Ullstein Verlag, Berlin, 960 Seiten
Ich habe alle seine Romane seit dem allerersten gelesen und
verehre James Ellroy als meisterhaften Autor. Das neueste Opus, an die tausend
Seiten stark, ist das erste seiner Werke, das ich nicht zu Ende lesen mochte.
Nach etwa einem Drittel habe ich aufgegeben, ermüdet von dem sprachlichen
Stakkato, von der Überfülle an Detailbeschreibungen und von Ellroys
Besessenheit, die Stadt Los Angeles in der Zeit von Pearl Harbor anno 1941 in
tausend Facetten aufleben zu lassen. Vielleicht war ich etwas zu ungeduldig.
Ich liess den angelesenen Wälzer monatelang herumliegen, wo ich ihn täglich
sah, doch ich mochte nicht mehr in diese Geschichte eintauchen. Ich werde es
aber beim nächsten Ellroy bestimmt wieder versuchen.
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