09.02.2016

Robert Saemann-Ischenko – So ich dir

2015, BoD, Books on Demand, Norderstedt (Selbstverlag), 278 Seiten

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Vorbemerkung: Dieses Buch wurde mir vom Autor angetragen. Ich bin bei selbstverlegten Büchern, vorsichtig ausgedrückt,  eher zurückhaltend. Nachdem ich zwei, drei journalistische Arbeiten von Robert Saemann-Ischenko mit Genuss gelesen habe – sehr empfehlenswert etwa «Die Bambi-Lüge» –, willigte ich ein, seinem Thriller eine Chance zu geben.


Der erste Satz
Der Mann war nun schon den dritten Tag in Folge hergekommen, ohne dass der grosse Hund auf ihn reagiert hatte.

Das Buch
Der Mann – einen Namen hat die Hauptfigur des Thrillers nicht, sie ist das ganze Buch hindurch einfach «der Mann» – hat Krebs.

Drei bis fünf Monate blieben ihm. Weniger ziemlich sicher nicht, mit Glück etwas mehr, hatte der Onkologe gesagt. Schon dabei war dem Mann das Wort Glück eher unglücklich vorgekommen.

Was nun? Was tun mit der verbleibenden Zeit?

Am nächsten Tag war ihm der Gedanke gekommen, das es nicht nur richtig war, Gutes zu tun, sondern auch richtig sein konnte, etwas Böses zu beenden.

Also nimmt er sich vor, Aleksander Lukaschenko, den Herrscher über Weissrussland, den letzten Diktator Europas, zu erschiessen. Der 75-Jährige stellt sich seine Situation vor:
Liegt ein todkranker alter Sack im Bett und schmiedet beim Morgenkaffee Mordpläne, obwohl er schon Muffensausen bekommt, wenn er in der Tempo-30-Zone 40 fährt. Das ist schlimmer als ZDF. Absurd.
Einerseits.
Andererseits war nicht einmal das 20.15-Uhr-Programm des ZDF so absurd wie das Leben.

So nimmt das Romandebüt des deutschen Autors Robert Saemann-Ischenko Fahrt auf. Der Mann macht die schnellstmögliche Jägerausbildung. Obwohl er unter seiner fortschreitenden Krankheit leidet und des Nachts von bösen Geschichten heimgesucht wird, hat das auch komische Seiten. Wir lernen viel über die Geschichte Weissrusslands, wie die Nazis und insbesondere deren Oberjäger Walter Frevert, der in deutschen Jägerkreisen bis heute in Ehren gehalten wird, während des Zweiten Weltkriegs dort wüteten und wie heute Lukaschenko dort die Menschen knechtet. Wir erfahren einiges über Theorie und Praxis der Jagd. Man spürt, dass sich der Autor da auskennt, aber so genau wollen wir das alles eigentlich gar nicht wissen. Man merkt ständig, dass er von Haus aus Journalist ist. Er erzählt uns nicht einfach eine Geschichte, sondern belegt dies und das mit entsprechenden Zitaten, wie wir das in der Journalistenschule gelernt haben. Besonders störend empfand ich die Zitiererei im Zusammenhang mit der Krebserkrankung, die an anderen Stellen sehr ergreifend beschrieben wird. Leider gibt es im deutschen Sprachraum keine Thrillerschulen.
Nicht, dass das Buch einfach schlecht wäre, aber wirklich gut ist es leider auch nicht. Zu viel ist zu dokumentarisch. Nichts dagegen, dass ein Thriller die Wirklichkeit abbildet und dass er dies exakt tut, im Gegenteil, aber im Thriller sollte das auf andere Art geschehen als in einem Sachbuch oder einem journalistischen Text. Wenn man die Fakten unbedingt belegen will, kann man das ja in einem Anhang machen (wie es etwa Barry Eisler tut). Dennoch – und trotz einiger Längen und zu vielen blöden Fehlern, die hängen geblieben sind – bin ich bis zum Ende an der Geschichte geblieben. Dies weil der Plot an sich durchaus fesselnd ist und weil Saemann-Ischenko wirklich schreiben kann. In Zusammenarbeit mit einem guten Lektor/einer guten Lektorin hätte daraus gewiss ein richtig guter Thriller werden können.

Der Autor
Robert Saemann-Ischenko, *1964 in Erlangen, studierte Geschichte, Politik, Publizistik in Berlin, absolvierte die Henri-Nannen-Journalistenschule unter Wolf Schneider, war Redaktor und Textchef bei verschiedenen Printmedien tätig und arbeitet seit 2009 frei. Daneben beschäftigt er sich mit Jagen und Fischen und ist Teil eines «professionellen Schweisshundegespanns» – Tätigkeiten die sich auch in seinem publizistischen Schaffen niederschlagen. Saemann-Ischenko veröffentlichte mehrere Kinderbücher und das Sachbuch «Armer Hund: Wie der angeblich beste Freund des Menschen vergöttert und verhätschelt, kaputtgezüchtet und ausgenutzt, zur Schnecke und zum Affen gemacht wird».

Der letzte Satz
Aber er starb lächelnd, das schon.


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