(«The
Marauders», Crown Publishing/ Penguin Random House Company, New York, 2015)
Aus dem
Amerikanischen von Peter Torberg
2016,
Ullstein, Berlin, 384 Seiten
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Der erste
Satz
Sie
tauchten aus dem dunklen Schlund des Bayou auf wie Gespenster, erst ein
geisterhaftes Licht im Nebel, dann das Rattern des Motors: ein
Aluminium-Rennboot, das über lackschwarzes Wasser schoss.
Das Buch
Weiss der
Teufel, was die Verantwortlichen des deutschen Verlags geritten hat, diesem
Roman den Titel «Das zerstörte Leben des Wes Trench» zu geben. Der Titel setzt
nicht nur ein falsches Gewicht, er stimmt auch grundsätzlich nicht. Das hat
dieses starke Debüt weiss Gott nicht verdient. Der Roman heisst «The
Marauders», und «Die Plünderer» würde als deutscher Titel perfekt passen.
Wes Trench
ist zwar durchaus eine zentrale Figur in dem Roman, doch nur eine von mehreren.
Der Roman, der an der Barataria Bay südlich von New Orleans spielt, wo die
Shrimp-Fischer, welche die Folgen des Hurricanes Katrina, nicht die physischen und
schon gar nicht die psychischen, noch längst nicht überstanden haben, nach der
Deepwater-Horizon-Katastrophe ihr Geschäft von Tag zu Tag mehr kaputtgehen
sehen.
Tom Cooper
wechselt von Kapitel zu Kapitel von einer Figur zur anderen und erzählt aus dem jeweiligen Blickwinkel. Im Verlauf des
Romans beginnen sich die Geschichten der einzelnen Figuren mehr und mehr zu
verknüpfen.
Da sind einmal die
Brüder Toups, die auf einer Insel im Bayou spitzenmässiges Gras anbauen. Dafür
interessieren sich auch andere, etwa Cosgrove und Hanson, die nach der Ölkatastrophe
aus New Orleans an die Bay gezogen sind, um für 15 Dollar in der Stunde ölverschmierte
Pelikane und andere Wasservögel zu waschen – und in der Freizeit die
Marihuana-Insel der Toups-Brüder zu suchen. Lindquist, ein tablettensüchtiger
einarmiger Shrimp-Fischer, dem seine teure Prothese gestohlen wurde, sucht mit
dem Metalldetektor nach alten Piratenschätzen. Der junge Wes Trench verkracht
sich beim Shrimp-Fischen mit seinem Vater, heuert bei Lindquist an und arbeitet
schliesslich an seinem eigenen Boot weiter. Er hat neue Ideen für die direkte
Vermarktung der Shrimps – wenn denn mal wieder jemand etwas aus dem
ölverseuchten Bayou essen mag. Und dann ist da noch Grimes, der aus der Gegend
stammt, sie aber schon lange verlassen hat und jetzt im Auftrag der
Ölgesellschaft vor Ort ist:
Also
schickte die Ölgesellschaft Grimes los, der den Betroffenen die Hand schütteln,
sich ihre Geschichten anhören, ihnen Trost spenden und Zusicherungen machen
sollte. Vor allem aber sollte er Unterschriften sammeln. Mit einer Einigung über
eine Zahlung von, sagen wir mal, zehntausend Dollar, ein Almosen im Vergleich
zu den Summen, die British Petroleum wohl im Laufe der kommenden Jahre zu
entrichten hatte, konnte sich die Gesellschaft vor weiteren Ansprüchen
schützen. Lieber jetzt das Scheckbuch zücken und Schadensersatz leisten, bevor
in ein paar Jahren das wahre Ausmass der Ölkatastrophe an die Öffentlichkeit
kam.
Während Grimes die Kläger, darunter auch seine eigene Mutter, über den Tisch zu ziehen versucht, sehen die Toups-Brüder ihre Insel durch Schatzsucher Lindquist bedroht und setzen ihm schon mal einen Zwei-Meter-Alligator ins Schlafzimmer. Wes Trench, den der Tod seiner Mutter im Hurricane Katrina belastet, sucht seinen eigenen Weg beim Erwachsenwerden in dieser schwierigen Zeit.
Es ist
beeindruckend, wie Tom Cooper aus all diesen Geschichten der verschiedenen
Protagonisten packend ein düsteres Gesellschaftsbild zeichnet
Der Staat
Louisiana, bemerkte Wes’ Vater häufig, würde für immer dumm dastehen. War schon
immer so, würde immer so bleiben. Seiner Meinung nach gab es kein korrupteres
Stück Land als dieses hier. Was sollte man aber auch von einem Aussenposten der
Zivilisation erwarten, der von Gesetzlosen und Zigeunern aus dem Sumpf
notdürftig zusammengeschustert worden war? Ein Ort, der in jungen Jahren
zwischen den Staaten hin- und hergeschoben worden war wie ein ungewolltes Kind?
Man brauchte sich nur die Beweise anzuschauen. Beamte, die mit Staatsgeldern im
Gefrierschrank und Nutten im Bett erwischt wurden. Kandidaten zum Amt des
Gouverneurs, die im Gefängnis endeten. Gelder aus Hilfsfonds, die für
Swimmingpools, Sportwagen und Palomino-Ponys vergeudet wurden.
Und die
Ölgesellschaften: Um Gottes willen, die verfluchten Ölgesellschaften.
Früher oder
später, sagte Wes’ Vater, wurden sie alle mit heruntergelassenen Hosen und der
Hand in der Keksdose ertappt.
«The
Marauders» ist kein Kriminalroman im klassischen Sinn, auch wenn schon mal Blut
fliesst und auch sonst kaum etwas einen gesetzestreuen Verlauf nimmt. Es ist
eine überraschende Mischung aus Umweltthriller, Entwicklungsroman, Krimi, Politthriller,
«Southern Noir», «Southern Gothic». Und dass sich in die ganze Schwärze gegen
Ende auch ein Hoffnungsschimmer mischt, tut gut. Ein starkes Stück.
Der Autor
Tom Cooper,
*(Jahrgang nicht eruierbar) in Fort Lauderdale, Florida, hat zahlreiche
Kurzgeschichten veröffentlicht. Er zog 2010 nach New Orleans, als die Gegend nach
dem Untergang der BP-Ölplattform noch unter Schock stand. «The Marauders» ist
sein erster Roman.
Der letzte
Satz
Irgendjemand.
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