(«Bull
Mountain», G. P. Putnam’s Sons, New York, 2015)
Aus dem
amerikanischen Englisch von Johann Christoph Mass
2016,
suhrkamp taschenbuch, Suhrkamp Verlag Berlin, 336 Seiten
****1/2
Der erste
Satz
«Familie»,
sagte der Alte zu niemandem.
Das Buch
Der Burroughs-Clan
hat Bull Mountain in Georgia seit Jahrzehnten fest im Griff, über Generationen. Sie brannten
Schnaps, stellten dann auf Marihuana um und betreiben jetzt Meth-Labors.
Allerdings hat sich in der letzten Generation einer der Brüder, Clayton, vom
Familiengeschäft abgewandt und amtiert jetzt als Sheriff. Eines Tages taucht
der Bundesbeamte Simon Holly bei ihm auf, der von Clayton will, dass er seinem
Bruder das Angebot unterbreite, dass dieser straffrei ausgehen würde und sein
Vermögen behalten könne, wenn er seine Partner verraten würde. Wenn er allerdings nicht darauf
eingehe, würden die Bundesbeamten den Berg schwer bewaffnet stürmen. Holly appelliert bei Clayton
daran, dass sie beide auf der gleichen Seite stünden, auf der Seite des
Gesetzes. Was Clayton nicht so sieht.
«Passen Sie
auf, Holly. Ich habe nichts mit Ihnen gemeinsam. Ich bin einfach ein Typ, der
keine dreissig Kilometer von dort, wo Sie jetzt sitzen, geboren wurde und
aufwuchs. Ich bin kein Spitzensheriff, der die Welt retten will vor dem Bösen,
das die Menschen anrichten.» Seine Stimme troff vor Sarkasmus. «Mich
interessiert es nicht sonderlich, was da draussen in Ihrer Welt so passiert, Agent
Holly. Ich bin ein Provinzsheriff, der sein Bestes tut, die Menschen in diesem
Tal – die guten Menschen in diesem Tal – vor dem endlosen Zufluss von Scheisse
zu schützen, der vom Berg runterkommt, und vor den schiesswütigen
Verbindungsbürschchen, die glauben, sie können hier aufkreuzen und uns
Hillbillys zeigen, wie hart sie drauf sind. Meiner Auffassung nach stellt ihr
alle, Cops und Bösewichte gleichermassen, eine Bedrohung meines Wahlkreises dar, und daraus
resultiert im Kern, dass Sie und ich nichts miteinander gemein haben.»
Doch
schliesslich lässt sich Clayton Burroughs doch zum Botengang zu seinem Bruder,
den er seit der Bestattung ihres dritten Bruders, der von Bundesagenten erschossen wurde, nicht mehr gesehen hat,
breitschlagen. Denn Holly scheint anders zu sein, als andere Bundesagenten.
Tatsächlich ist er anders; er spielt sein ganz eigenes Spiel, wie sich im Lauf
der Geschichte zeigen wird.
Und diese
Geschichte hat es in sich. Sie ist breit angelegt mit Rückblenden in die
1940er, die 1970er, die 1980er, aber dennoch schlank und ohne Ballast erzählt. Die Erzählstränge, die zunächst teils recht
zusammenhangslos erscheinen mögen, führt Brian Panowich in seinem Romandebüt
gekonnt zusammen und steigert die Dramatik Schritt für Schritt. Darin erinnert mich der Roman an die Anweisung eines Hollywood-Produzenten in den 1940ern an seine
Drehbuchautoren, die ungefähr lautete: «Anfangen mit einem mittleren Erdbeben,
und dann langsam steigern!» «Bull Mountain» packt einen von Anfang an und nimmt
einen mit auf eine Höllenfahrt in die Berge von Georgia. Dabei setzt Panowich
nicht einfach auf Action und Spannung, in dieser rabenschwarzen Familiensaga
geht es auch um grundsätzliche und existenzielle Fragen, ohne dass der Autor
dabei irgendwie pädagogisch würde. Ob die richtige Einordnung dafür nun
«Southern Noir» oder «Country Noir» heissen mag – das ist einfach grosse
Literatur.
Der Autor
Brian
Panowich, *(Jahrgang nicht eruierbar) in Fort Dix, New Jersey, verbrachte die
Kindheit an verschiedenen Orten in den USA und in Europa, wo sein Vater für die
Army tätig war. Als er zwölf war, liess sich die Familie in East Georgia
nieder, wo er später an der Georgia Southern University Journalismus studierte. Er war
mehrere Jahre als Musiker unterwegs; heute lebt er als Feuerwehrmann in Georgia.
Er publizierte in den letzten Jahren Kurzgeschichten; «Bull Mountain» ist sein
erster Roman.
Der letzte
Satz
Und das
würde ihnen niemand jemals wegnehmen.
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