26.03.2016

Brian Panowich – Bull Mountain

(«Bull Mountain», G. P. Putnam’s Sons, New York, 2015)

Aus dem amerikanischen Englisch von Johann Christoph Mass

2016, suhrkamp taschenbuch, Suhrkamp Verlag Berlin, 336 Seiten


****1/2
  
Der erste Satz
«Familie», sagte der Alte zu niemandem.

Das Buch
Der Burroughs-Clan hat Bull Mountain in Georgia seit Jahrzehnten fest im Griff, über Generationen. Sie brannten Schnaps, stellten dann auf Marihuana um und betreiben jetzt Meth-Labors. Allerdings hat sich in der letzten Generation einer der Brüder, Clayton, vom Familiengeschäft abgewandt und amtiert jetzt als Sheriff. Eines Tages taucht der Bundesbeamte Simon Holly bei ihm auf, der von Clayton will, dass er seinem Bruder das Angebot unterbreite, dass dieser straffrei ausgehen würde und sein Vermögen behalten könne, wenn er seine Partner verraten würde. Wenn er allerdings nicht darauf eingehe, würden die Bundesbeamten den Berg schwer bewaffnet stürmen. Holly appelliert bei Clayton daran, dass sie beide auf der gleichen Seite stünden, auf der Seite des Gesetzes. Was Clayton nicht so sieht.

«Passen Sie auf, Holly. Ich habe nichts mit Ihnen gemeinsam. Ich bin einfach ein Typ, der keine dreissig Kilometer von dort, wo Sie jetzt sitzen, geboren wurde und aufwuchs. Ich bin kein Spitzensheriff, der die Welt retten will vor dem Bösen, das die Menschen anrichten.» Seine Stimme troff vor Sarkasmus. «Mich interessiert es nicht sonderlich, was da draussen in Ihrer Welt so passiert, Agent Holly. Ich bin ein Provinzsheriff, der sein Bestes tut, die Menschen in diesem Tal – die guten Menschen in diesem Tal – vor dem endlosen Zufluss von Scheisse zu schützen, der vom Berg runterkommt, und vor den schiesswütigen Verbindungsbürschchen, die glauben, sie können hier aufkreuzen und uns Hillbillys zeigen, wie hart sie drauf sind. Meiner Auffassung nach stellt ihr alle, Cops und Bösewichte gleichermassen, eine Bedrohung meines Wahlkreises dar, und daraus resultiert im Kern, dass Sie und ich nichts miteinander gemein haben.»

Doch schliesslich lässt sich Clayton Burroughs doch zum Botengang zu seinem Bruder, den er seit der Bestattung ihres dritten Bruders, der von Bundesagenten erschossen wurde, nicht mehr gesehen hat, breitschlagen. Denn Holly scheint anders zu sein, als andere Bundesagenten. Tatsächlich ist er anders; er spielt sein ganz eigenes Spiel, wie sich im Lauf der Geschichte zeigen wird.
Und diese Geschichte hat es in sich. Sie ist breit angelegt mit Rückblenden in die 1940er, die 1970er, die 1980er, aber dennoch schlank und ohne Ballast erzählt. Die Erzählstränge, die zunächst teils recht zusammenhangslos erscheinen mögen, führt Brian Panowich in seinem Romandebüt gekonnt zusammen und steigert die Dramatik Schritt für Schritt. Darin erinnert mich der Roman an die Anweisung eines Hollywood-Produzenten in den 1940ern an seine Drehbuchautoren, die ungefähr lautete: «Anfangen mit einem mittleren Erdbeben, und dann langsam steigern!» «Bull Mountain» packt einen von Anfang an und nimmt einen mit auf eine Höllenfahrt in die Berge von Georgia. Dabei setzt Panowich nicht einfach auf Action und Spannung, in dieser rabenschwarzen Familiensaga geht es auch um grundsätzliche und existenzielle Fragen, ohne dass der Autor dabei irgendwie pädagogisch würde. Ob die richtige Einordnung dafür nun «Southern Noir» oder «Country Noir» heissen mag – das ist einfach grosse Literatur.

Der Autor
Brian Panowich, *(Jahrgang nicht eruierbar) in Fort Dix, New Jersey, verbrachte die Kindheit an verschiedenen Orten in den USA und in Europa, wo sein Vater für die Army tätig war. Als er zwölf war, liess sich die Familie in East Georgia nieder, wo er später an der Georgia Southern University Journalismus studierte. Er war mehrere Jahre als Musiker unterwegs; heute lebt er als Feuerwehrmann in Georgia. Er publizierte in den letzten Jahren Kurzgeschichten; «Bull Mountain» ist sein erster Roman.

Der letzte Satz
Und das würde ihnen niemand jemals wegnehmen.


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