07.03.2016

Garry Disher – Bitter Wash Road

(«Bitter Wash Road», The Text Publishing Company, Melboure, 2013)

Aus dem Englischen von Peter Torberg

2016, Unionsverlag, Zürich, 344 Seiten


****1/2

Der erste Satz
Eines Montagmorgens im September, drei Wochen nach seinem Dienstantritt, nahm der neue Polizist in Tiverton einen Anruf seines Sergeants entgegen: Schüsse an der Bitter Wash Road.

Das Buch
Der neue Polizist in Tiverton ist Paul Hirschhausen, genannt Hirsch.

Hirschs neuer Posten war ein Ein-Mann-Revier in einem Kaff am Barrier Highway, Tiverton. Einmal geblinzelt, schon war man durch. Es gab noch ein paar von diesen kleinen Dienststellen im Bundesstaat South Australia, die Polizei war peinlich darauf bedacht, sie nicht Ein-Mann-Reviere zu nennen, nicht heutzutage, nicht in aller Öffentlichkeit, dennoch schickten sie keine Kolleginnen dorthin, vorgeblich aus betrieblichen und sicherheitstechnischen Gründen. Also besetzte man sie nur mit alleinstehenden Männern (die Frauen der verheirateten Kollegen hätten ohnehin sofort abgewinkt), am liebsten mit Kollegen, die Dreck am Stecken hatten.
Wie Hirsch.

Für seine neuen Kollegen im 40 Kilometer entfernten Hauptrevier, zu dem die Ein-Mann-Wache gehört, ist Hirsch ein Verräter; er hat gegen seinen Ex-Chef und Ex-Kollegen in Adelaide, die nicht nur korrupt, sondern richtig kriminell sind, ausgesagt. Die Bewohner des tristen Kaffs misstrauen Hirsch, weil sie sich nur Cops gewohnt sind, die sie einschüchtern und schikanieren, die Farbige verprügeln. Dabei versucht Hirsch nur, nicht das Falsche zu tun. Doch das ist nicht ganz einfach. Die Kollegen schikanieren ihn. In seinem Auto wird belastendes Material versteckt, gerade bevor er für eine neue Anhörung in die Stadt fahren muss. Hirsch macht sich so seine Gedanken über seinen Berufsstand: 
Polizeibeamte veränderten sich im Laufe der Zeit, wie er feststellte. Das war nicht immer ein völlig bewusster Akt, eher ein Verlust von Perspektiven. Wirkliche und eingebildete Kränkungen eiterten; das Gefühl griff um sich, dass die Arbeit mehr und bessere öffentliche Beachtung verdiente. Zumindest Vergünstigungen oder Belohnungen. Mehr Geld, mer und besseren Sex, eine Beförderung, eine Vergnügungsreise zu einer grossen Konferenz. Allgemein gesprochen: mehr Respekt. Zynismus machte sich breit. Immer kamen die bösen Jungen davon, und die Medien stürzten sich auf den Bullen, der Geld annahm, statt denjenigen zu loben, der sich um Waisenkinder kümmerte. Warum also nicht den einfachen Weg wählen? Die Regeln zu eigenen Gunsten auslegen?

Hirsch versucht, seine Arbeit richtig zu machen. Verschwunden Schafe und kleine Einbrüche beschäftigen ihn. Dann wird eine Sechzehnjährige tot in einen Strassengraben gefunden. Unfall mit Fahrerflucht? Mord? Hirsch lässt sich von Schweigen und Ausflüchten nicht beirren. Und bald schon wühlt er in einem widerlichen Kleinstadt-Sumpf, in dem sexuelle Übergriffe und Gewalt herrschen und sich die Stadtgrössen gegenseitig decken.
Es ist eine ziemlich verkommene Gesellschaft in der australischen Einöde, in die Garry Disher die Leser Schritt für Schritt mitnimmt. Ein einsamer Held, der zwar auch nicht unbedingt eine Leuchtgestalt ist, gegen alle. Eine packende Geschichte, meisterhaft erzählt.

Der Autor
Garry Disher, *1949 in Burra, South Australia, ist in der Gegend aufgewachsen, in der «Bitter Wash Road» spielt. Er ist einer der bekanntesten australischen Schriftsteller und hat seit den frühen 1980er-Jahren rund 50 Bücher veröffentlicht. Neben Kriminalromanen sind das andere Romane, Kinder- und Jugendbücher sowie Sachbücher zur Geschichte Australiens und über das Schreiben. Seine Serie um den Berufskriminellen Wyatt (auf Deutsch bei Pulp Master ist zusammen mit der Parker-Reihe) von Richard Stark (Donald Westlake) die beste Serie mit einem Berufsverbrecher als Hauptfigur in der Geschichte der Kriminalliteratur. Disher lebt auf der Halbinsel Mornington im australischen Bundesstaat Victoria.

Der letzte Satz
«Ich», erklärte er, «ich gehe mit Glanz und Gloria unter.»


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