(«The Gods
of Guilt», Little Brown & Company, New York, 2013)
Aus dem
Englischen von Sepp Leeb
2016,
Droemer Verlag, Droemer Knaur, München, 508 Seiten
****
Der erste
Satz
Ich nähere
mich dem Zeugenstand mit einem offenen und freundlichen Lächeln.
Das Buch
Mickey
Haller ist der «Lincoln Lawyer», so der Titel des ersten Romans mit ihm (auf
Deutsch «Der Mandant»), der gerissene Anwalt in Los Angeles, dessen Büro die
Rückbank des Lincoln Town Cars ist, in dem er sich chauffieren lässt. Witzig
spielt Michael Connelly auf die erfolgreiche Verfilmung seines Bestsellers an:
Ich bog
nach rechts in die First Street und sah die Town Cars am Strassenrand stehen.
Es waren sechs in einer Reihe, wie bei einem Begräbnis. Die wartenden Fahrer
standen auf dem Gehsteig und ratschten miteinander. Angeblich ist Nachahmung
die aufrichtigste Form der Schmeichelei. Jedenfalls sind seit dem Film eine
ganze Menge Lincoln Lawyers aus dem Boden geschossen, die regelmässig die
Bordsteine vor den Gerichten von L.A. bevölkern. Ich war sowohl stolz als auch
genervt. Mehr als einmal war mir zu Ohren gekommen, dass es Anwälte gibt, die
behaupteten, als Vorlage für den Film gedient zu haben. Ausserdem war ich im
letzten Monat mindestens dreimal in einen falschen Lincoln gestiegen.
Aber das
ist Hallers kleinstes Problem im Moment. Er leidet darunter, dass seine
Tochter, die bei der geschiedenen Mutter lebt, ihn nicht mehr sehen mag, weil
er vor Gericht die bösen Buben raushaut. Dass einer, den ihr Papa vor dem
Gefängnis bewahrte, zwei Tage später besoffen eine Mutter und ihre Tochter
totfuhr, hat ihr den Rest gegeben. Haller bleibt nur:
Mich an die
Hoffnung zu klammern, dass Hayley irgendwann begreifen würde, dass die Welt
nicht schwarzweiss war. Dass sie aus Grautönen bestand und dass ihr Vater in
dieser Grauzone zu Hause war.
Der Mann,
den er jetzt verteidigt, ist zwar ein «digitaler Zuhälter», und das Opfer des
Mordes, dessen er beschuldigt wird, war ein Callgirl, das früher Hallers
Klientin war und von der der Anwalt meinte, er habe ihr aus dem Sexgewerbe rausgeholfen. Doch Haller ist überzeugt, dass der Angeklagte unschuldig und das
Opfer eines Komplotts ist. Er setzt alles daran, dies zu beweisen.
Es ist ein
raffiniert aufgebauter Plot, eine spannende Geschichte mit – für einen
Justizthriller – reichlich Action. Und, wie immer bei diesem meisterlichen
Autor, voller nachdenklicher Zwischentöne aus der Grauzone zwischen Schuld und
Unschuld.
Der Autor
Michael
Connelly, *1956 in Philadelphia, PA, studierte an der University of Florida
Journalismus und kreatives Schreiben. Er arbeitete zunächst als Polizeireporter
in Florida. Nachdem er 1986 für den Pulitzer-Preis nominiert war, wurde er
Polizeireporter bei der «Los Angeles Times». 1992 erschien sein erster Roman um
Harry Bosch. Inzwischen gibt es 19 Romane mit dem Ermittler der Polizei von Los
Angeles; die letzten beiden sind auf Deutsch noch nicht erschienen. Neben der
Bosch-Reihe veröffentlicht er mit «The Poet» 1996 einen der besten
Serienkillerromane. 2005 startete er mit «The Lincoln Lawyer» (deutsch: «Der
Mandant», 2007) eine Reihe mit dem Anwalt Mickey Haller. Immer wieder lässt
Connelly zum Vergnügen seiner Stammleser Figuren aus anderen Reihen auftreten,
so etwa die FBI-Beamtin Rachel Walling aus «The Poet» in Bosch-Romanen. Im im
zweiten Haller-Roman traf der Anwalt auf Harry Bosch und die beiden fanden
heraus, dass sie Halbbrüder sind; seither kommen beide in beiden Reihen vor.
«Götter der Schuld« ist der fünfte Haller-Titel. Nach vielen Jahren in Los
Angeles lebt Michael Connelly mit seiner Familie jetzt wieder in Florida.
Die letzten
Sätze
Meine
Götter der Schuld. Tag für Tag mache ich weiter, ich habe sie immer bei mir:
Tag für Tag trete ich vor ihre Geschworenenbank und plädiere in eigener Sache.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen