(«Poulets grillés», Editions Albin Michel, Paris 2015).
Aus dem Französischen von Katrin Segerer.
Carl’s Books/Random House, München 2017, 349 Seiten
***
Der erste Satz
Anne Capestan
stand vor ihrem Küchenfenster und wartete darauf, dass der Tag anbrach.
Das Buch
Commissaire Capestan ist suspendiert. Es geht um eine
Schussabgabe, für die sie vom Disziplinarausschuss verwarnt wurde. Jetzt hat
sie der Chef an den Quai des Orfèvres 36 bestellt. Was wird passieren?
Entlassung? Versetzung in die Provinz? Nein, es kommt ganz anders: Ihr wird die
Leitung einer neuen Brigade übertragen. Wo ist der Haken, fragt sich Anne
Capestan. Die Brigade umfasse «nur die unorthodoxesten Beamten», erklärt der
Chef. Was bedeutet: «Wir säubern die Behörde, um die Statistik aufzupolieren.
Wir stecken alle Alkoholiker, Schläger, Depressiven, Faulpelze und so weiter,
alle, die unsere Abteilungen behindern, aber nicht gefeuert werden können,
zusammen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Und zwar unter Ihrem Kommando.» Auf
Capestans Frage, warum gerade sie dafür ausgesucht worden sei, antwortet der
Chef trocken: «Sie haben als Einzige den Dienstgrad eines Commissaire. Im
Normalfall kündigen sich die Pathologien schon vor dem Auswahlverfahren an.»
Rund 40 Beamte wurden der neuen Brigade zugeteilt.
Aber nur wenige davon schauen vorbei in dem neuen Revier, das in einem Pariser Quartier
weitab vom Schuss im 5. Stock eines Wohnhauses liegt. Ein paar bleiben aber und
helfen dabei, die Akten von alten, ungelösten Fällen auf neue Ansatzpunkte
durchzugehen. Einer gilt als Unglücksbringer, weil seine früheren Partner bei
der Polizei ums Leben kamen; heute will keiner mehr mit ihm arbeiten. Ein
anderer hat am Morgen schon eine Rotweinfahne. Eine Kollegin schreibt nebenher
erfolgreich Drehbücher für TV-Krimis und hat die Arbeit eigentlich nicht nötig,
aber sie ist gerne unter Kollegen und sucht immer Krimithemen. Eine
Chaostruppe. Doch Anne Capestan wird vom Ehrgeiz gepackt und kann die Leute
motivieren. Und dabei kann sie erst noch den Chefs im Präsidium auf die Zehen
treten.
Die Pariser Journalistin Sophie Hénaff serviert in
ihrem ersten Roman «Kommando Abstellgleis» keine schwere Kost. Doch sie erzählt
die Geschichte von Anne Capestans Aussenseiterbrigade mit Witz und Charme. In
den grossen Fall, auf den sich die Truppe einschiesst sind hohe Polizeibeamte
verwickelt. Der Plot wirkt streckenweise etwas verworren, was die Autorin mit
Humor wettmacht. So funktioniert Hénaffs Debüt durchaus als leichte Sommerlektüre
– am besten im TGV nach Paris.
Im Original heisst der Roman übrigens «Poulets grillés».
Poulet, also Hähnchen, ist in Frankreich auch eine umgangssprachliche
Bezeichnung für einen Polizisten, vergleichbar dem deutschen Bulle. Dem
deutschen Verlag ist dafür nur der Deppentitel «Kommando Abstellgleis»
eingefallen. Und die auf Oktober angekündigte Fortsetzung heisst plump «Das
Revier der schrägen Vögel».
Die Autorin
Sophie Hénaff, *1972, ist Journalistin bei der
französischen Ausgabe des Frauenmagazins «Cosmopolitan», wo sie insbesondere
für ihre witzige Kolumne «La Cosmoliste» bekannt ist. «Poulets grillés»
(«Kommando Abstellgleis») ist ihr erster Roman. Im Oktober erscheint die
Fortsetzung «Rester groupés» unter dem Titel «Das Revier der schrägen Vögel»
auf Deutsch.
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