Aus dem amerikanischen Englisch von Gottfried Röckelein
Ars Vivendi Verlag, Cadolzburg 2017, 399 Seiten
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Der erste Satz
Derek Strange beugte sich vor und ging in den Dreipunktstand, eine Hand
auf dem Boden, Beine in Sprintposition.
Das Buch
Washington brennt. Nach
der Ermordung von Martin Luther King kam es in der amerikanischen Hauptstadt zu
gewalttätigen Auseinandersetzungen, die als «Washington D.C. 1968 Riots» in die
Geschichte eingegangen sind. Um diesen Ausbruch der Gewalt geht es im «Hard
Revolution», einem Kriminalroman von George Pelecanos. Im Mittelpunkt der
Geschichte steht ein junger schwarzer Polizist.
Endlich nimmt sich
wieder ein deutschsprachiger Verlag dem Werk des grossen amerikanischen
Krimiautors George Pelecanos an! Zwar arbeitet der dieses Jahr 60 gewordene
Schreiber seit ein paar Jahren vor allem fürs Fernsehen – er war unter anderem
einer der Hauptautoren der Kultserie «The Wire» –, doch es gibt einige Romane
von ihm, die der Entdeckung auf Deutsch harren. Pelecanos ist in seinen Büchern
immer bei den einfachen Leuten. Die Welt der griechischen Einwanderer in
Washington, in welcher er selbst aufgewachsen ist, bildet den Rahmen für
mehrere Romane, auch in «Hard Revolution» kommt sie am Rande vor. Doch hier
liegt das sozialkritische Augenmerk des erfolgreichen Autors auf den
Bürgerrechten der Schwarzen und auf dem alltäglichen Zusammenleben von
Schwarzen und Weissen in den einfachen Vierteln der Stadt.
«Hard Revolution», im
Original bereits 2004 erschienen, erzählt die Vorgeschichte von Derek Strange, den
Pelecanos davor schon in drei Romanen als Privatdetektiv auftreten liess. Der
erste Teil blendet weit zurück ins Jahr 1959, in die Kindheit von Derek
Strange. Der 13-jährige Schwarze bewegt sich unverkrampft in Gesellschaft
gleichaltriger Weisser. Gefragt was er mal werden will, muss er nicht lange
überlegen: Polizist. Auch wenn das einige der anderen Jungs, auch sein älterer
Bruder, nicht so toll finden. Dann springt die Geschichte neun Jahre weiter,
ins Frühjahr 1968. Derek Strange ist inzwischen Polizist geworden. Andere aus
seinem Jugendumfeld sind kriminell geworden, teils waren sie im Krieg in
Vietnam und haben Mühe, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. In
Washington D.C., wo «ungefähr drei Viertel aller Bürger schwarz und vier
Fünftel aller Polizisten weiss waren», ist die Situation zwischen den Rassen
nicht mehr entspannt. Strange wird zudem von vielen Schwarzen angefeindet, weil
er Polizist ist.
In «Hard Revolution» gibt
es Morde und Überfälle, doch das Buch ist kein konventioneller Krimi, sondern
vielmehr ein packend erzähltes Zeitbild aus einer bewegten Epoche. Martin
Luther King bereitet einen Marsch auf Washington vor. Die Meldung seiner
Ermordung lässt die Situation in der Hauptstadt explodieren. Plündernd und
brandschatzend ziehen Tausende durch die Strassen. Und Derek Strange steckt
mittendrin. Neben seinen offiziellen Einsätzen ist er auf der Suche nach dem
Mörder seines Bruders.
George Pelecanos
versteht es meisterhaft, einem diese Zeit nahe zu bringen. Dazu trägt vor allem
auch sein detailreicher Erzählstil bei. Da fährt einer nicht einfach irgendein
Auto, sondern zum Beispiel einen Chevrolet Nova II SS, «ganz in schwarz,
äusserlich ein Serienwagen. Er hatte eine Hurst-Viergangschaltung zwischen den
Sitzen und eine 5,7-Liter-Maschine mit einem Holley-Vierfachvergaser unter der
Haube.» Ebenso genau nimmt Pelecanos es mit der Musik. «Ein O. V. Wright Song, Eight Men, Four Women, kam aus der
Anlage, mit diesen Backgroundsängerinnen und ihren lasziven Stimmen, die Wright
so gerne einsetzte, und Strange dachte: Back Beat Nummer 580. Und dann dachte
er: Jemand auf dieser Party hat verdammt viel Ahnung.» Auch die 1968er Unruhen
in Washington hat Pelecanos genau recherchiert, und sie sind mehr als nur der
Hintergrund für eine Kriminalgeschichte, sie sind ein unabdingbarer Teil der
Story, deren Kern die einfühlsam geschilderte persönliche Entwicklung des
jungen Polizisten Derek Strange ist. Starker Stoff.
Der Autor
George P. Pelecanos,
geboren 1957 in Washington D.C., stammt aus einer Arbeiterfamilie, die aus
Griechenland eingewandert war. Er arbeitete in verschiedensten Jobs und
studierte Kunst an der University of Maryland, bevor er 1992 seinen ersten
Roman veröffentlichte. Von seinen rund 20 Büchern sind bis 2010 acht bei
verschiedenen Verlagen (DuMont, Rotbuch, Rowohlt) auf Deutsch erschienen. Seit
2002 arbeitet Pelecanos regelmässig für den TV-Kanal HBO, wo er einer der
Hauptautoren für die Kultserie «The Wire» war. 2012/2013 arbeitete er Vollzeit
für die Serie «Treme», danach für «Bosch», eine Serie nach den Krimis von James
Connelly. Zurzeit entwickelt er für HBO eine Serie um seinen eigenen Helden
Derek Strange; die erste Staffel basiert auf «Hard Revolution». Pelecanos lebt
mit seiner Frau und drei Kindern in Silver Spring, Maryland.
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