(«The Drop», William Morrow, New York, 2014)
Aus dem Amerikanischen von Steffen Jacobs
2014, Diogenes Verlag, Zürich, 223 Seiten
****1/2
Der erste Satz
Bob fand den Hund zwei Tage nach Weinachten.
Das Buch
Ein schmales Bändchen für Dennis Lehane, der doch in der
Regel eher 600 als 300 Seiten liefert. Das liegt wohl an der
Entstehungsgeschichte. Zuerst war da eine Kurzgeschichte, «Animal Rescue»,
vielleicht etwa halb so lang wie der vorliegende Roman, und aus dieser
Geschichte fertigte Lehane ein Drehbuch fürs Kino. Und erst danach wurde daraus auch noch
dieser Roman.
Schlechte Voraussetzungen für ein gutes Buch, mag man da
zuerst skeptisch denken. Doch weit gefehlt: «The Drop. Bargeld» (etwas bemüht,
dieser Doppeltitel der deutschen Ausgabe) ist ein ganz wunderbares,
atmosphärisch dichtes Buch. Eher düster zwar, und das Personal besteht
ausschliesslich aus gescheiterten oder sonstwie mit ihrem Dasein hadernden
Menschen, die Lehane in wenigen Worten präzise zu charakterisieren versteht.
«Die meisten Menschen sind ganz in Ordnung», findet Bob, die Hauptfigur, um
dann zu präzisieren:
«Sie stellen jede Menge Sauereien an, und dann stellen sie
noch mehr Sauereien an, weil sie versuchen, die ersten Sauereien aufzuwischen,
und irgendwann ist das ihr Leben.»
Bob Saginowski ist Barkeeper in «Cousin Marv’s» Bar. Marvin
ist wirklich sein Cousin, doch die Bar, die seinen Namen trägt, gehört längst
der örtlichen Tschetschenen-Mafia. Diese benutzt das Lokal als einen der
ständig wechselnden «Drops»: Hier werden an einem Abend alle Einnahmen der
Organisation abgeliefert und dann von den Chefs abgeholt. Ein Überfall auf die
Bar setzt eine Reihe von Ereignissen in Gang, die am Super-Bowl-Sonntag, vor
allem wegen der Wetten für die Mafia der ertragsreichste Tag, kulminieren.
Von den Tagen nach Weihnachten, in welchen Bob zu einem Hund
kommt und die etwas undurchsichtige Nadia kennenlernt, bis zum ersten
Februar-Sonntag sind wir vor allem mit Bob unterwegs, in dessen alltägliche
Monotonie plötzlich so etwas wie Leben und gar ein Hauch Hoffnung kommt. Man
mag ihn, er scheint einer der Guten zu sein in dieser Geschichte, während man
bei Detective Torres, den Bob vom regelmässigen Kirchgang kennt, nicht so sicher ist. Irgendwo scheint zarte Liebe zu keimen, dann bricht wieder brutale
Gewalt aus in diesem zwar irgendwie ganz unspektakulären, aber durchwegs
spannenden und bewegenden Buch. Ein an Umfang kleiner, an Sinn und Tiefe aber
grosser Roman, der durch Melancholie und leisen Humor geprägt ist.
Der Autor
Dennis Lehane, *1965 in Boston, Massachussetts, absolvierte
nach verschiedenen Studien und Gelegenheitsjobs einen Studiengang für kreatives
Schreiben in Florida. 1994 erschien sein erster Roman «A Drink Before the War»
(«Streng vertraulich»). Inzwischen hat er rund ein Dutzend
Romane veröffentlicht, darunter mehrere Bestseller, die teils auch erfolgreich
verfilmt wurden (z.B. «Mystic River» und «Shutter Island»). Lehane lebt in
Boston, wo auch seine Romane spielen, und in St. Petersburg, Florida, wo er
heute selbst kreatives Schreiben unterrichtet.
Der letzte Satz
Man kann das Leben nicht kontrollieren.
Trailer zum Film «The Drop» (Regie: Michaël R. Roskam; mit
Tom Hardy, Noomi Rapace, James Gandolfini):
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